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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
Jephtha's Tochter
Nun hat Juda ausgeweint:
Jephtha's Hand bezwang den Feind.
Streitbar zog er fort von Haus
Und erschlug die Ammoniter -
Blumen streut man vor ihm aus:
Im Triumphe heimwärts zieht er.
Keine Blum' auf Juda's Höh'n
Blüht wie Jephtha's Kind so schön!
Mit Gesang und Paukenschlag,
Schmuckreich, mit gesalbten Füßen
Zog sie aus am frühen Tag,
Den Erzeuger zu begrüßen.
"Was verhüllst Du Dein Gesicht?
Kennt sein Kind der Vater nicht?"
- Weh! ein schwer Gelübde that
Ich, um Juda zu befreien:
Was zuerst vom Haus mir naht,
Als ein Opfer Gott zu weihen! -
Und sein Haar in Weh' und Leid
Rauft' er aus, zerriß sein Kleid...
"Vater, jamm're nicht um mich!
Gott half Dir das Land befreien:
Ist Dein Kind nicht werth, für Dich
Ihm als Opfer sich zu weihen?"
Betend schaut er himmelwärts,
Drückt sein blühend Kind an's Herz,
Das von Trübsal überschwoll:
- Herr, Du gabst sie! Nimm sie wieder! -
Eine heiße Thräne quoll
Die gebräunte Wange nieder.
Und ihr junges Leben schwand
Reiner als der Opferbrand,
Der verzehrend sie umloht.
Und die Töchter Juda's klagen
Um der Tochter Jephtha's Tod
Noch bis zu den spätsten Tagen.
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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