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Gedichte, Lyrik, Poesie

Aus der Heimat und Fremde
162 Bücher



Friedrich von Bodenstedt
Aus der Heimat und Fremde . 1856/1859



Saul

        Du, deß Zauber Todte ruft,
            Laß erscheinen den Propheten.
        "Samuel, steig' aus der Gruft!
            König, schau was Du gebeten!"

Die Erde that sich auf; dem König nah
Inmitten einer Wolke stand er da.
Es wechselte die Farbe selbst das Licht
Und wagte sich in seine Nähe nicht;
Vom starren Aug' war alles Leben fort,
Die Adern trocken und die Hand verdorrt;
Die knöchern weißen Füße sehnenlos,
Entsetzlich anzuschaun, verschrumpft und bloß;
Aus Lippen, reglos, athemlosen Rahmen,
Die Worte, wie der Wind aus Schluchten, kamen.
Saul starrt und stürzt wie leblos von Geberde,
Der blitzgetroffnen Eiche gleich, zur Erde.


XI.

Viel mag man sagen zu der Schönheit Ruhme,
Doch selten hält sie lang was sie verspricht;
Oft schon im Knospen stirbt der Schönheit Blume,
Sie ist ein flücht'ger Glanz, ein Glas das bricht.
    Leicht blüht sie auf zu hoher, stolzer Fülle,
    Doch leichter noch verdirbt die schöne Hülle.

Und wie verwelkte Blumen ganz verderben,
Unwiederbringlich der verlorne Glanz,
Und wie ein Glas, wenn es zerbrach in Scherben,
Durch keine Kunst wird wieder heil und ganz -
    So Schönheit, wenn sie flieht, flieht sie auf immer,
    Durch Kunst und Schminke aufersteht sie nimmer.


XII.

Schlaf wohl, und gute Nacht! - Ach, keins von beiden!
Sie rief: schlaf wohl, die meinen Schlaf mir nahm,
Zur Ruhe soll ich gehn mit meinen Leiden,
Und einsam grübeln über meinen Gram.
    Fahr wohl! rief sie, wir sehn uns wieder morgen,
    Fahr wohl! - ich fand kein Wort vor Weh und Sorgen.

Doch als ich schied, so freundlich von Geberden
War sie - wie deut' ich dieses Lächeln mir?
Vielleicht nur that sie's, froh mich los zu werden,
Vielleicht auf's Neu' mich hinzuziehn zu ihr.
    Ja, einem Geist gleich weiß sie mich zu bannen,
    Und unbelohnt stets schickt sie mich von dannen.


XIII.

O wie mein Auge schaut nach Osten zu!
Mein Herz verklagt die Uhr - des Morgens Glanz
Weckt jeden Sinn aus seiner trägen Ruh,
Doch trau' ich meinem eignen Aug' nicht ganz,
    Und horchend auf den Sang der Nachtigall,
    Wünsch' ich, es kläng' wie einer Lerche Schall.

Denn Lerchenschall begrüßt den jungen Tag
Und scheucht die Nacht die sich so schläfrig dehnte,
Bringt Aug' und Herzen was es wünschen mag:
Der Liebsten Nähe, die so lang ersehnte -
    Denn als ich schied, halb hoffend, halb in Sorgen,
    Da seufzte sie und sprach: Komm früh am Morgen!

Wär' sie bei mir, die Nacht wär' bald entschwunden!
Jetzt zähl' ich zu den Stunden die Minuten,
Ach, die Minuten scheinen selbst wie Stunden -
Nicht mir, o Sonne, gieb den Blumen Gluten,
    Komm, Zeit von dieser Nacht zum Tag zu borgen,
    Daß sich dafür die Nacht verläng're morgen!


XIV.

's war eines Ritters Tochter, die schönste war's von Drei'n,
Die liebte ihren Lehrer, nichts mocht' ihr lieber sein,
Bis einst sie einen Ritter sah, der gar zu schön und fein,
        Da kam ihr Herz in's Schwanken.

Lang war der Kampf der Liebe mit Liebe zweifelvoll,
Ob sie den Einen verlassen, den Andern tödten soll -
Hier eine Wahl zu treffen schuf unmaßen Noth und Groll
        Dem närrischen Geschöpfchen.

Doch Einer muß gewählt sein - entsetzlich war die Pein,
Daß Beide zu behalten kein Mittel sollte sein;
So blieb der treue Rittersmann verlassen und allein,
        Sie konnt' ihm, ach! nicht helfen.

Also im Kampf mit Waffen blieb Siegerin die Kunst,
Die durch gelehrte Gaben erwarb des Mägdleins Gunst -
Da sieht man, daß Gelehrsamkeit doch mehr als blauer Dunst -
Hier ist mein Lied zu Ende.


XV.

Einst (der Tag ist einerlei,
Liebe kennt nur Monat Mai),
Amor sah ein Blümchen fliegen,
Spielend sich im Winde wiegen,
Ungesehn labt sich die Luft
An des Blümchens Reiz und Duft.
Und der arme Junge leidend,
Gar verliebt die Luft beneidend,
Rief: Du wehst mir Wehe zu,
Luft, ach könnt' ich sein wie Du!
So in tändelndem Gekose
Auf mir wiegen meine Rose.
Ach, warum mußt' ich versprechen
Keine Rose mehr zu brechen!
Gar zu dumm ist in der Jugend
Solche schwurverschanzte Tugend.
Süße, nenn' es kein Verbrechen
Meinen Schwur für Dich zu brechen!
Für Dich hätte Zeus geschworen,
Juno sei Kind eines Mohren,
Seiner Gottheit sich begeben,
Dich zu lieben, Dir zu leben!


XVI.

Nichts gelingt mehr,
Kein Bock springt mehr,
Kein Schaf bringt mehr
        Lämmchen zur Welt; -
Lieb' ist treulos,
Sünde reulos,
Falschheit scheulos,
        Alles vergällt!

Alle Lust an Sang und Spiel ist hin,
Weil ich nicht geliebt von ihr mehr bin;
Wo mich Treu' und Liebe einst bethört,
Hab' ich nun ein tödtlich "Nein" gehört!

        Ich armer Thor,
        Der Alles verlor,
O zürnend Schicksal, wetterwendisch Lieb,
        Ich seh auf's Neu',
        Daß wahre Treu'
Doch mehr in Männern als in Frauen blieb.

Trauer deckt mich,
Nichts mehr schreckt mich,
Nichts erweckt mich
        Aus meiner Pein -
Unglück beugt mich,
Glück verscheucht mich,
Schlimmer, däucht mich,
        Kann es nicht sein.

Wie der Schalmei Ton trüb und traurig heut,
Das Heerdenglöcklein klingt wie Grabgeläut;
Mein Hund, der sonst mich froh umspringt und leckt,
Hat melancholisch sich in's Gras gestreckt;
        Er heult in Trauern,
        Scheint mich zu bedauern,
Als wüßte er was mich so elend macht.
        Aus Feld und Wald2Ein Wimmern schallt
Wie von tausend Besiegten in blutiger Schlacht.

        Die Quellen springen nicht,
        Die Vögel singen nicht,
        Die Pflanzen dringen nicht
An's Licht mehr, sie sterben.
        Wenn ein Mägdlein mich sieht,
        Wie's erschreckt vor mir flieht,
Als brächt' ich Verderben!

        Alle Lust die wir armen Schäfer gekannt,
        Unser Jubeln und Singen im Wiesenland,
        Unser fröhlicher Reigen beim Abendroth
Schwand hin mit der Liebe - die Liebe ist todt.

        Fahr wohl, süßes Lieb!
        Deines Gleichen nicht blieb
Zu Wonne und Weh' auf der Erde.
        Nun verderb' ich allein
        In hülfloser Pein,
Bis daß ich begraben werde.


XVII.

Wenn Du, ganz von Bedenken frei,
Dir eine Schöne ausersehn,
Laß Klugheit mit der Schwärmerei
Verliebten Sinns beisammen gehn,
    Bei einem Klügern klopfe an
    Um Rath, bei einem Ehemann!

Hast Du den Weg zu ihr gebahnt,
Erkünstle Deine Worte nicht,
Weil leicht ein Weib Verstellung ahnt
Beim Manne der so zierlich spricht -
    Sag' grad' heraus: Du liebst sie sehr,
    Beutst Gold und Herz ihr und noch mehr.

Und mag sie noch so finster dräu'n,
Das düstre Aug' wird hell vor Nacht,
Und dann zu spät wird sie bereu'n,
Daß sie sich um solch Glück gebracht,
    Wird zweimal wünschen eh' es tagt
    Was zürnend einmal sie versagt.

Ob sie auch spröd' sich widersetzt,
Dich laut verwünscht, sich Deiner wehrt,
Die schwache Kraft weicht doch zuletzt,
Wenn ihr die List den Spruch gelehrt:
    "Wär' ich als Frau stark wie ein Mann,
    Beim Himmel, anders käm' es dann!"

In Allem zeig', daß Du ihr dienst
Mit offnem Sinn und offner Hand,
Und rühmt man Dich, wo Du's verdienst,
Bleib' ihr Dein Ruhm nicht unbekannt!
    So stark ist keine Stadt noch Burg:
    Die goldne Kugel schlägt hindurch.

Sei immer zum Vertraun geneigt,
Dien' ihr ergeben, zärtlich, treu,
Und nur wenn sie sich untreu zeigt,
So wähl' auch sorglos Du auf's Neu!
    Gedulde Dich, die Zeit bringt Glück,
    Stößt sie auch Anfangs Dich zurück.

Es soll der Frauen Trug und List,
So schön verhüllt durch äußern Schein,
Und was an ihnen Schlimmes ist,
Dem der sie liebt verborgen sein.
    Wer kennt den Vers nicht des Gedichts:
    Des Weibes "Nein" bedeutet Nichts?

Und setzen Weiber sich zur Wehr
Aus Frömmigkeit - es scheint nur so!
Für sie giebt's keinen Himmel mehr,
Wenn Jugendlust und Schönheit floh -
    Ja, thät' das Küssen es allein:
    Es würd' ein Weib das andre frei'n!

Doch still! Du singst zu keckgelaunt,
Leicht hört die Liebste den Gesang,
Und wenn sie nicht in's Ohr mir raunt,
Das dumme Lied sei viel zu lang,
    Erröthet sie, daß ich im Lied
    Was ich bei ihr erfuhr, verrieth!


XVIII.

In der Wonnezeit des Jahres,
Wohl im schönen Maimond war es,
Saß ich sinnend und allein
Einst im schattigen Lorbeerhain.
Thiere liefen, Vögel sangen,
Bäume blühten, Pflanzen sprangen,
Freud' und Lust war überall,
Traurig nur die Nachtigall.
Sie, entfremdet aller Lust,
Lehnt' an Dornen ihre Brust,
Und sang Lieder bang und schaurig,
Wer sie hörte, wurde traurig.

Und ich fühlte bei dem Singen
Thränen mir in's Auge dringen,
Denn es weckt ihr lauter Kummer
Meinen eignen aus dem Schlummer.
Ach, umsonst klagst Du Dein Wehe, -
Dacht' ich - wer ist, der's verstehe!
Nicht die Bäume, die hier rauschen,
Nicht die Thiere, die hier lauschen;
König Pandion ist todt,
Deine Freunde sind in Noth,
In der lust'gen Vögel Schwarme
Fragt man nicht nach Deinem Harme.
Und so wie kein Vogel Deiner,
So kein Mensch erbarmt sich meiner,
Während man in schönern Tagen
Auf den Händen mich getragen.
Wer im Glück Dir schmeichelt, ist
Fern, wenn Du im Unglück bist.
Worte fliehen gleich den Winden,
Schwer ist's ächte Freunde finden!
Hast Du Händevoll zu spenden,
Greift Dir Jeder nach den Händen,
Aber mangelt's Dir an Geld,
Hilft kein Mensch Dir in der Welt.
Den Verschwender nennt man nur
Mild und gütig von Natur,
Und bedauert schmeicheltönig,
Daß er nicht geworden König;
Sieht man ihn zum Laster neigen:
Wie sich Alle dienstbar zeigen!
Neigt er sich zu schönen Frau'n:
Leicht gewinnt er ihr Vertrau'n;
Doch sobald sein Glück sich wendet,
Ist die Herrlichkeit geendet,
Alle kehren ihm den Rücken,
Sonst gewöhnt sich ihm zu bücken.
Doch von ächtem Korn und Schrot
Zeigt ein Freund sich in der Noth;
Thränen weiht er Deinem Kummer,
Wachst Du, kennt er keinen Schlummer,
Was Dich quälen mag und plagen:
Herzhaft wird er's mit Dir tragen -
Also scheiden sicherlich
Treuer Freund und Schmeichler sich.


XIX.

O zeig' Deine Lippen nicht,
    Die so süß gespielt mit Schwüren!
Nicht der Augen dunkles Licht,
    Die den Morgen irre führen!
        Doch gieb das verlorne Glück,
        Meine Küsse gieb zurück!

O verhüll' die Hügel Schnee's,
    Die Dein frostiger Busen trägt,
Drauf die Knöspchen - o ich seh's! -
    Sind wie der April sie hegt.
        Aber erst aus Deinen Ketten
        Laß mein armes Herz sich retten!


XX.

Laß den Vogel hellster Lieder
In Arabiens Wüstenei'n
Unsres Kummers Herold sein,
Folg' ihm alles keusch Gefieder!

Doch Dir schwarzem Unglücksboten,
Dessen heis're Stimme Tod
Nur verkündet, Weh und Noth,
Sei der Platz im Zug verboten!

Keiner soll zum Zuge kommen
Von des Raubgevögels Schaar,
Nur der königliche Aar
Sei in Ehren ausgenommen.

Laßt das Requiem erklingen!
Priester sei der reine Schwan,
Feierlich weiß angethan,
Todverkündend ist sein Singen.

Und Du heiserstimmige Krähe,
Die Du Deine schwarze Brut
Zeugst durch Deines Odems Glut,
Bleibe in des Zuges Nähe!

Nun beginnt der Trauerchor:
Treu' und Liebe sind vergangen,
Turteltaub' und Phönix schwangen
Sich in Flammenglut empor.

Durch die Liebe so verbunden
War - wenn auch getrennt - dies Paar,
Daß ihr Wesen Eines war,
Zahl in Liebe war verschwunden.

Wenn vereinzelt sie erschienen,
War doch - außer diesem Paar
Sicherlich höchst wunderbar -
Keine Trennung unter ihnen.

Eins verloren ganz im Andern,
Eines durch das Andre reich,
Ganz in Liebe Beide gleich
Sah man sie durch's Leben wandern.

Zweie und doch Eins untrennbar,
Waren Beide so vermischt,
Daß sich "Ich" und "Du" verwischt,
Beide nur als Eins erkennbar.

Dem Verstand selbst unverständlich
Schien's, wie Theilung sich verband,
Erstes sich im Zweiten fand,
Zweites nur im Ersten kenntlich.

Daß er ausrief: mir will scheinen,
Unverständig ist Verstand
Und verständig nur das Band,
Das gewußt so zu vereinen!

So beseelt' ihn dieser Glaube,
Daß er sang ein Trauerlied
Wie das holde Paar verschied,
Phönix und die Turteltaube.


  Friedrich von Bodenstedt . 1819 - 1892






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