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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
Simson
Jubel war in Gasa, ob dem Falle
Simsons, Im Palast voll Prunk und Glanz
Schwelgten die Philisterfürsten alle,
Ihre Weiber schwangen sich im Tanz
Bei Drommetenschall und Cymbelklang.
Süßen Weins voll ruft's im Schwarm der Gäste:
"Führt den blinden Simson her zum Feste,
Zu ergötzen uns durch Spiel und Sang!"
Und sie höhnten ihn und Gott; es rührte
Nicht sein Elend der Verstockten Sinn.
Simson sprach zum Knaben, der ihn führte:
"Führ' mich zu des Hauses Mitte hin,
Wo die Säulen stehn, darauf es ruht,
Daß ich mich anlehne dort zu rasten."...
Er begann die Säulen zu betasten
Und fleht' auf zu Gott in brünstiger Glut:
"Heiliger, starker Gott! - hilf mich erretten
Von der Schande, hör' mein Nothgeschrei!
Wenn Du willst, zerbrech' ich meine Ketten
Wie ein dürres Zweiglein - steh mir bei!
Du kannst machen, daß es aus der Nacht
Meines blinden Aug's wie Blitze wettert,
Daß mein Arm der Feinde Schaar zerschmettert
Wie Gewürm, denn groß ist Deine Macht.
Herr, ich weiß, wie schwer ich vor Dir schuldig,
Meine Schmach war meiner Sünde Lohn,
Darum trug ich's reuvoll und geduldig:
Doch sie treiben mit Dir selber Hohn!
Sieh, nicht meinetwillen fleh' ich Dich:
Meine Seele mag mit ihnen sterben,
Aber laß mich dies Geschlecht verderben,
Herr, gedenke meiner, stärke mich!"
Sprach's. Gewachsen war sein Haupthaar wieder,
Das wie eines Löwen Mähne schien;
Neue Kraft schwoll seine mächtigen Glieder,
Und der Geist des Herrn kam über ihn;
Seine nervigen Arme spannt er aus
Um der Tragesäulen runde Schäfte,
Zieht, bereitet seine ganzen Kräfte:
Mit Gekrach in Trümmern stürzt das Haus,
Daß der Staub aufschwoll zu dunkler Wolke
Und die Erde dröhnte vom Gekrach.
Was im Haus war vom Philistervolke,
In der Halle und auf Hof und Dach:
Zog er mit in seinen Untergang.
Vieler Tausend Blut die Erde röthet,
Daß der Blinde sterbend mehr getödtet,
Als der Sehende sein Lebenlang.
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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