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Gedichte, Lyrik, Poesie

Aus der Heimat und Fremde
162 Bücher



Friedrich von Bodenstedt
Aus der Heimat und Fremde . 1856/1859



An mein jüngstes Töchterchen

Weine nicht, mein goldgelocktes Mädchen,
Du mein rosig Kind, des Hauses Freude,
Laß die süßen, herzigen Veilchenaugen
Nicht von bittrer Thränenflut befeuchten!
Tage werden kommen, schlimme Tage,
Zeiten schweren Duldens, herber Prüfung,
Wo die heißen Thränen schmerzenlindernd
Aus den gramumflorten Augen strömen.
Aber noch, Kind, brauchst Du nicht zu weinen,
Denn noch kennst Du Kummer nicht und Trübsal.
Sieh, an Deiner Wiege sitzt die Mutter,
Wischt die Thränen von den glüh'nden Wangen,
Wiegt Dich ein und wacht, damit Du schlafest,
Und mit leiser Silberstimme singt sie
Traute Weisen holder Kinderlieder.
Wüßtest Du, welch' Glück und welchen Segen
Gott in dieser Mutter Dir beschieden,
Lächeln würdest Du, mein Kind, nicht weinen!
Weißt Du's wohl, verstehst mich, herzig Mädchen?
Thust Du doch, als hättest mich verstanden,
Schiebst Dein Lockenköpfchen auf die Seite,
Blickst zur Mutter auf und streckst die Aermchen
Nach ihr aus und lächelst unter Thränen.


  Friedrich von Bodenstedt . 1819 - 1892






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An mein jüngstes Töchterchen, Friedrich von Bodenstedt