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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
XIV.
Der
sterbende Reitersmann.
Ein Lied aus alter Zeit.
Wie der Nebel herabsank auf's blaue Meer,
Sank drückende Wehmuth auf's reuige Herz -
Wie das Meer nicht den Nebel zu scheuchen vermag,
Scheucht das Herz auch die drückende Wehmuth nicht.
Wohl in fernem Lande, auf wüstem Feld,
Brennt ein Feuer, schon halb dem Verlöschen nah -
Und zuneben dem Feuer eine Matte liegt,
Auf der Matte liegt sterbend ein Reitersmann -
In der rechten Hand hält er den straffen Bogen,
In der linken Hand einen gestählten Pfeil;
Zu den schnellen Füßen steht ihm sein gutes Roß,
Wühlt die Erde, die feuchte, mit scharrendem Huf,
Und es wühlt und spricht zu dem Reitersmann:
Du steh auf, steh auf, braver Reitersmann!
Und setz' Dich auf mich, auf Dein gutes Roß,
Will Dich tragen zu Vater und Mutter hin;
Zu Deinem jungen Weib, zu Deinen Kinderchen! -
Allda spricht zur Antwort der Reitersmann:
Du, mein gutes Roß, treuer Diener du,
Kehre allein heim zum heiligen Russenland,
Kehre heim, grüße Vater und Mutter von mir,
Bring dem jungen Weib meinen Abschiedskuß,
Den lieben Kindern aber meinen Segen bring!
Und sprich, gieb zu wissen meinem jungen Weib,
Daß ich gefreit in der Fremde ein anderes Weib!
Habe zur Mitgift bekommen das wüste Feld,
Dazu noch die Wiese, die grünende.
Unser Freier war gut - war ein breites Schwert,
Und er freite einen gestählten Pfeil,
Eine Bleikugel führte ins Hochzeitsbett.
Rausche, Eichwald! Eichwald, du grünender!
Liege still, liege stille, du breites Thal!
Wie du, breites Thal blühend und lächelnd daliegst -
Nur Eines trägst du auf dir, was traurig macht:
In deiner Mitte wölbt sich ein Grabhügel hoch,
Auf dem Grabhügel liegt eine Matte von Stroh,
Auf der Matte aber liegt ein Reitersmann,
Ganz zerschlagen, zerschossen, von Wunden entstellt!
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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