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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
Der Terek
Wie ein großer Gedanke sich losreißt aus
Dem Haupte eines Genius,
Also springt aus des Kasbék steinernem Haus
Der brausende Terekfluß;
Reißt sich in sprudelnder Lust
Von der nährenden Bergesbrust;
Rauscht mit hellem Geplätscher
Ueber die eisigen Gletscher -
Und die Steine und Felsen die seinen Wellen
Sich, trotzig hemmend, entgegenstellen,
Lachend überspringt er sie,
Oder stark zwingt er sie
Mit sich hinunter in's blühende Thal.
Was ihm widersteht wird zerstoben,
Denn seine Gewalt kommt von Oben!
Die Geis, die wie er vom Felsen springt,
Sich labend, aus seiner Welle trinkt;
Der Wandrer, der lechzend am Berghang ruht,
Erquickt sich an seiner kühlen Flut.
Schwankende Büsche, uralte Bäume,
Baden die Wurzeln im frischen Geschäume.
Es freun sich die duftigen Blumen, die bunten,
Ob der lauten, tanzenden Wellen tiefunten;
Und es lockt der stürmische Bergessohn,
Durch Klagen, Murmeln und Schmeichelton,
Manch widerstrebend Blümelein
Zu sich in's Flutenbett herein....
Und nach Unten gewandt
Durchzieht er das Land
- Ein König im blitzenden Wellengeschmeide -
Den Fluren zum Segen, den Menschen zur Freude.
Und nichts hält seinen Lauf,
Den stürmischen, auf.
Ohne Rast, ohne Ruh
Eilt er dem Meere zu -
Und das Meer, unter wildem Jubelgebraus,
Nimmt ihn auf in seinem weiten Haus.
Doch wie er im Meer
Seine Wohnung genommen,
Weiß man nicht mehr,
Von wo er gekommen;
Man erkennt ihn nicht wieder
Aus der Zahl seiner Brüder,
Die, wie er, aus der Ferne herbeigeschwommen.
Sein Name entschwebt,
- Ein leerer Schall -
Er selbst aber lebt,
Ein Theil im All.
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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