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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
Die beiden Nachbarinnen
Keine Schlachtdrommete hört man schallen,
Und kein Feuer widerstrahlt am Himmel:
Durch die Gassen bläst sein Horn der Kuhhirt
Und am Himmel flammt die Morgenröthe;
Thüren knarren auf und aus den Ställen
Wackeln störrisch die schwerfälligen Kühe,
Kläglich mit den großen Augen glotzend,
Träge mit den langen Schweifen schlagend,
Oft, sehnsüchtig brüllend, ihre Köpfe
Wendend, wie vor Heimweh nach dem Stalle.
Auf dem Marktplatz sammelt sich die Heerde,
Daß der Hirt sie aus zur Weide treibe.
Zwischen Thor und Marktplatz, links vom Wege
Gähnt ein Gäßchen, eng und ohne Durchgang -
In dem engen Gäßchen stehn zwei Häuser,
Keine Schlösser, keine Prunkpaläste,
Kleine Häuser und von dürftigem Ansehn.
Nah genüber steh'n sie, doch noch näher
Neigen sich die Dächer zu einander.
Wohnt in jedem Häuschen eine Wittwe,
Jede hält im Stall sich eine Kuh, sie
Selbst verpflegend, Magd zugleich und Herrin.
War schon längst die Heerde auf der Weide,
Doch die guten Nachbarinnen standen
Noch in eifrigem Gespräch beisammen,
Denn sie sprachen sich nur selten, täglich
Nur zweimal, früh Morgens und spät Abends,
Wenn der Hirt die Kühe aus- und eintrieb,
Und sie hatten sich gar viel zu sagen.
Sprach die Eine von den schlechten Zeiten,
Und wie Alles besser einst gewesen,
Bier und Kaffee, auch der Zucker billiger.
Sprach die And're von den bösen Zungen,
Was man braven Mädchen Schlimmes nachsagt:
"Gestern holt' ich Oel beim Krämer, fing die
Ladenjungfer an von Maiers Lottchen,
Die dem Amtmann ihren Dienst gekündigt
Und schon nächste Woche fortgeht, ihrem
Bruder nach Amerika zu folgen.
Nun was ist dabei? Es geh'n ja heuer
Nach Amerika noch viele Leute,
Aber nein, man sucht etwas dahinter,
Als ob sie (ich kann's mir gar nicht denken!)
Mehr als bloße Köchin war dem Amtmann. -
- Na, Frau Nachbarin, mit Maiers Lottchen
Glaub' ich, steht es wirklich nicht ganz richtig!
Woher hat sie all' die schönen Sachen?
Geht sie Sonntags nicht wie eine Dame
Aufgeputzt mit hochgebognem Hute,
Schwarzen Seidenschuh'n, die Bänder kreuzweis
Ueber den schneeweißen Strumpf gebunden?
Wer bezahlt den Aufwand? Von Nichts kommt Nichts,
Wie mein seliger Mann zu sagen pflegte." -
"Ja, ich hab' es längst gesagt, es geht nicht
Zu mit rechten Dingen; - aber seht nur:
Von der Weide kommen schon die Kühe,
Und ich hätt' Euch noch so viel zu sagen.
Wie die Zeit vergeht! 's ist nicht zu glauben."
Treibt die Heerde heim durch's Thor der Kuhhirt
Und am Himmel flammt die Abendröthe.
Doch die beiden Nachbarinnen standen
Noch im traulichen Gespräch beisammen,
Bis zwei Kühe, ihre eig'nen Kühe
Brüllend ihre Zwiesprach unterbrachen.
Zögernd trennten sich die beiden Wittwen,
Und sie riefen wie aus Einem Munde:
Gute Nacht, Frau Nachbarin, bis morgen!
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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