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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
Ein Morgen in Tiflis
Daß ich so früh dem Schlummer Dich entwand,
O süßes Leben, zürne nicht darum;
Steh auf und kleide Dich in Festgewand,
O, folge mir, Du wirst verstehn warum!
Auch ich lag eben noch im Schlummer tief,
Gebannt durch ein lebendig Traumgesicht -
Da klang mir eine Stimme, die mich rief,
Ich folgte ihr, trat aus der Nacht an's Licht,
Und müde noch, rief ich im Zorn wie Du:
"Was weckst Du mich aus meiner nächtgen Ruh?"
Doch schwand mein Zorn, denn was mir da geschehn,
War schöner, als was ich im Traum gesehn!
Von einer schönen Welt hatt' ich geträumt,
Wo Alles Liebe, Alles Seligkeit.
Die Erde war dem Himmel eingeräumt,
Versöhnt war alle Kreatur vom Streit,
Und Römer, Griechen, Moslem, Protestanten,
Begrüßten sich als nahe Blutsverwandten.
Der Zaar kredenzt dem Sultan krimmschen Wein,
Der Papst, verliebt, will eine Türkin frein.
Rabbiner, Mufti's, Uhlich's, Hengstenberge,
Die Glaubensriesen und die Glaubenszwerge,
Sie sangen Alle wie aus Einem Mund:
Groß ist der Herr, und schön das Erdenrund!
Es legt der Mönch sein härenes Gewand ab,
Der Krieger läßt vom Morde seine Hand ab,
Und hassesmüd, auf allen Lebenswegen,
Umarmend tritt sich Mensch und Mensch entgegen.
Und Alle schwangen sich in frohen Reihn,
Durch Erd' und Himmel ging die süße Regung,
Ich stimmte jubelnd in den Chor mit ein:
Liebe ist Leben, Leben ist Bewegung...
Da - klopften Rosenknospen an die Fenster
Des Schlafgemachs, verscheuchten die Gespenster,
Und riefen: "Auf vom Lager, säume nicht!
Die schöne Morgenzeit verträume nicht!
Es liegt der Tag im Kampfe mit der Nacht;
Schon sind die Blumen alle aufgewacht,
Die Vögel singen, alle Zweige klingen -
Die Morgenröthe zieht als Königin
Durch's Land, macht Alles froh, wie ich es bin,
Und läßt von Bergen, die gen Himmel ragen,
Sich des Gewandes Purpurschleppen tragen.
Wach auf, Du träger Schläfer! säume nicht,
Die schöne Morgenzeit verträume nicht!"
Und ich stand auf und ging hinaus in's Freie;
Geblendet ward mein Aug', wohin es schweift':
Schon hatte fern der weißen Berge Reihe
Die nächtgen Nebelkleider abgestreift,
Und badete sich nackt im Morgenglühn.
Von Berg zu Berg die goldnen Strahlen sprangen.
Rings aus der Gärten morgenfeuchtem Grün
Die Blumen glühten und die Zweige klangen.
In seinen Ufern glüht' der Strom im Thale
Wie Feuerwein im goldenen Pokale.
Weiß dampft es von den Felsen - zwischendurch
Erschimmerte glühroth die alte Burg
Mit ihrer weit herabgestreckten Mauer -
Ein Anblick sonst des Schreckens und der Trauer:
Jetzt aber lustig war sie anzusehn,
Ein schimmernder Palast, bewohnt von Feen...
Es hing ein Nebelstreif noch hin und wieder
Und flatterte am Fels wie eine Fahne.
Beim Karawanserai die Karawane
Ward ausgerüstet - vor dem Führer nieder
Beugt seine Knie' das stolze Dromedar,
Und wimmert, wie es seine Last empfangen;
Langsam erhebt es dann die schlanken Glieder,
Die Last ist leicht - der Blick wird wieder klar,
Im Glanz des Frühroths ist sein Gram vergangen...
Schon rief der Muezzin vom Minaret
Die Gläubigen zum ersten Frühgebet.
Die Töchter Grusien's schliefen auf den Dächern,
Es war so schwül zur Nacht in den Gemächern -
Hell spielten um der Mädchen Angesicht
Die Sonnenstrahlen und sie merkten's nicht.
Es standen selbst die Wachen an den Thoren
Ganz in der Morgenröthe Glanz verloren;
Und auch auf ihrer Mordgewehre Spitzen
Ließ friedlich sie die goldnen Strahlen blitzen.
Ihr milder Feuerschein hüllt Alles ein,
Verklärt die Welt in Herrlichkeit und Ruh,
Und Nichts fehlt zu dem schönen Bild als - Du!
O komm, Du süßes Leben! säume nicht,
Die schöne Morgenzeit verträume nicht!
Durch frisches Blumenland will ich Dich führen,
Will Dein Gemüth durch Feierklänge rühren;
Sollst selber wie die Morgenröthe glühen
In ihrem Strahl, und mit den Blumen blühen.
O klage nicht, wo Alles jauchzt und lacht:
Dein Herz soll haben was es wünschen mag -
Komm, schönes Morgenroth! ich bin der Tag
Der Dich heraufzieht aus des Lagers Nacht -
Komm! leb' der Freude, und die Sorge tödte!
Ich will Dein Tag sein, schöne Morgenröthe!
Ich will Dein Schleppenträger sein, Dein Alles!
Und wenn Du fällst: die Stütze Deines Falles!
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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