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Gedichte, Lyrik, Poesie

Aus der Heimat und Fremde
162 Bücher



Friedrich von Bodenstedt
Aus der Heimat und Fremde . 1856/1859



Lord Byron's Ode

an Napoleon Buonaparte.

Vorbei! ein König gestern noch,
        Der Königen gebot,
Und heut ein elend Nichts, und doch
        Nach solchem Fall nicht todt!
Die Welt macht' er zum Leichenfeld,
Und dieser kronenreiche Held
        Lebt noch in Schimpf und Noth?
Nie, seit dem Sturz des Lucifer,
Fiel Mensch noch Teufel tief, wie er!

Die sich gebeugt in Huldigung
        Schlugst Du mit Fluch und Weh'n,
Und blind vor Selbstbewunderung
        Lehrt'st Du die Andern sehn.
Der Anbetung, die Dich umgab,
Bot'st Du zum Lohn nichts als das Grab.
        Du lehrtest uns versteh'n
Nun Du so tief gefallen bist,
Wie Ehrgeiz klein und nichtig ist.

Dank für die gute Lehre! Sie
        Lehrt künftigen Kriegern mehr,
Als es vermag Philosophie
        Und je vermocht bisher;
Der Zauber wich auf immerdar,
Die Menschheit kniet vor dem Altar
        Des Kriegsgotts nimmermehr -
Sie spricht dem eitlen Götzen Hohn,
Deß Stirn von Erz, deß Fuß von Thon!

Der donnernde Triumph des Kriegs,
        Des Schlachtfelds Opferrauch,
Die erz'ne Stimme steten Siegs,
        Für Dich der Lebenshauch;
Und Scepter, Schwert, die Du nur trugst,
Daß Du die Menschheit niederschlugst,
        Wie alles Andre auch
Schwand hin! O welche Qual verheißt
Dir die Erinnrung, dunkler Geist!

Der Unheilbringer selbst in Pein!
        Der Unbesiegte wich!
Der Richter aller Welt zu sein
        Gewohnt - fleht jetzt für sich!
Ist's Todesfurcht, die aufrecht hält
Nach solchem Wechsel in der Welt,
        Hoffst Du noch kaiserlich?
Stirb als ein Fürst, leb' als ein Sclav!
Du wähltest höchst unfürstlich brav!

Der einst den Eichenstamm getheilt,
        Sah erst zu spät, daß er
Beim Rückprall selbst sich eingekeilt,
        Entsetzt schaut' er umher.
Voll Uebermuth auf Deiner Bahn
Hast Du ein gleiches Werk gethan,
        Dein Fluch drückt Dich noch mehr!
Denn Jenen fraß des Walds Gethier,
Du nagst am eignen Herzen Dir.

Der Römer, als er übersatt
        Von Römerblute war,
Warf hin den Dolch, verließ die Stadt,
        Groß, wenn auch ein Barbar.
Und höhnend schaut er nieder noch
Auf's Volk, das fröhnte seinem Joch,
        Wie eine Sclavenschaar -
Die Stunde war sein einz'ger Ruhm,
Wo er hinwarf das Herrscherthum.

Der Spanier, als der Herrschaft Glanz
        Ihm nichtig schien und bleich,
Gab Kronen für den Rosenkranz,
        Für eine Zell' ein Reich!
Und wie er büßend Perlen zählt',
Sich kindisch fromm kasteit' und quält',
        Er blieb sich immer gleich!
Wohl besser thut vor Welt und Gott,
Wer nicht Despot ist noch bigott.

Doch Du, - schwach, zögernd und zu spät,
        Stiegst Du herab vom Thron,
Der Donner und die Majestät
        War Dir entrungen schon! -
Vor Zorn und Weh mein Herz zerreißt,
Weil Du selbst herzlos, böser Geist,
        Und uns zum Spott und Hohn
Die schöne Welt so manches Jahr
Solch nicht'ger Größe Schemel war!

Die Welt vergoß ihr Blut für ihn,
        Der so sein eignes schont,
Monarchen sah man vor ihm knien,
        Weil er sie nicht entthront!
O schöne Freiheit, wie erscheint
So hehr dein Glanz, wenn solchem Feind
        Die Furcht im Busen wohnt!
Daß kein Tyrann mehr, wenn er fällt,
Durch bessern Ruhm bethör' die Welt!

Nur Blut bezeichnet Deine Spur,
        Kein Segen folgt Dir nach,
Deine Triumphe dienen nur,
        Zu mehren Deine Schmach!
Wärst Du gestorben ritterlich,
Vielleicht erhöb' ein Andrer sich
        Der Welt zum Ungemach -
Wen aber trägt sein Flug so weit,
Um zu vergeh'n in Dunkelheit?

Der Helden Staub ist ganz so schlecht,
        Wie and'rer Menschen Staub,
Es wägt die Sterblichkeit gerecht
        Was ihrer Herrschaft Raub;
Doch dacht' ich: höhrer Geist erhebt
Den großen Mann, so lang er lebt
        Für Furcht und Schrecken taub.
Nie glaubt' ich, daß sich Spott und Hohn
Wagt zu der Welterobrer Thron.

Und sie, die Blum' aus Oesterreich,
        Der stolzen Habsburg Sproß,
Im Unglück auch den Größten gleich,
        Bleibt sie noch Dein Genoß?
Und theilt sie in erhabner Treu'
Dein Weh und Deine späte Reu',
        Nachdem wie Schaum zerfloß
Dein Reich - o, hüte diesen Schatz,
Für Deinen Thron mehr, als Ersatz!

Dann eile fort gen Helena,
        Ein Gast des Meeres sei;
Es zürnt Dir nicht, frei blieb es ja
        Von Deiner Tyrannei!
Und schreibe dort mit müßiger Hand
Die Worte in den Ufersand,
        Daß auch die Erde frei!
Und Korinth's Pädagog Dir jetzt
Sein Beiwort auf die Stirn gesetzt.

Du Timur, wie wird Dir zu Muth
        In Deinem Kerker sein!
Du denkst wohl in der Ohnmacht Wuth
        Nur Eins: die Welt war mein!
Ging nicht, wie dem zu Babylon,
Dein Geist mit Deiner Macht davon,
        Wird er sich bald befrein
Von Dir, der sich so hoch vermaß,
Und doch so niedern Werth besaß.

Oder wirst, wie Prometheus, groß
        Du tragen Deinen Schmerz,
Wie er darbieten hoffnungslos
        Dem Geier Mark und Herz?
Umsonst! dem göttlichen Gericht,
Ja selbst dem Spott entgehst Du nicht
        Des Bösen, der Dich allerwärts
Verfolgt, - den nicht sein Stolz verließ,
Als Gott ihn in's Verderben stieß.

Es war ein Tag, wo diese Welt
        War Frankreichs - Frankreich Dein,
Wo Du, entsagend als ein Held,
        Die Völker zu befrei'n,
Mit beßrem Ruhme Dich gekrönt,
Als aus Marengo's Namen tönt -
        Dich hätt' ein goldner Schein,
Verklärend all' Dein Thun, umschwebt,
Du hättest glorreich fortgelebt!

Doch Du wollt'st prangen auf dem Thron
        vIn eitler Herrscherlust,
Als zwänge Purpurkleid und Kron'
        Erinnrung aus der Brust.
Wo ist nun all' der bunte Tand,
Stern, Purpurkleid und Ordensband?
        Ward endlich Dir bewußt,
Du großes, machtverwöhntes Kind,
Wie nichtig solche Flitter sind?

Wo soll das müde Auge ruh'n?
        Wo findet's Herrlichkeit,
Gestützt auf wahrhaft großes Thun,
        Ruhm nicht von Schmach entweiht?
Ein Mann nur - erster, letzter Held,
Cincinnatus der neuen Welt,
        Blieb ungehaßt vom Neid:
Washington ließ der Welt die Scham,
Daß groß wie er kein zweiter kam.


  Friedrich von Bodenstedt . 1819 - 1892






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