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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
Muhammed
Verödet liegt das sonnige Perserland!
Was schön, was groß, was ruhmvoll war, verschwand.
Nur Trümmer zeugen, kümmerliche Reste,
Vom Glanz der alten Tempel und Paläste.
Verwahrlost ist das Volk, versumpft in Rohheit;
Nichts mehr ist schön im Land, als die Natur,
Und aus der Parsen heiligen Sagen nur
Strahlt noch ein Abglanz alter geistiger Hoheit!..
So klagt' ich einst - da sprach Mirza - Schaffy:
"Die Kunst, die Pracht, den Glanz aus jenen Tagen
Hat des Propheten Glaubensschwert zerschlagen!
Wo sich die Menschen starrer Satzung beugen
Da welkt die Kunst, verdorrt die Poesie,
Und mit ihr stirbt des Geistes Leben hin,
Denn nur Lebendiges kann Leben zeugen,
Und mit der Schönheit flieht der Schönheitssinn!"
Ich sprach: Die Flamme, die dem Wüstensande
Entstieg, hat sie nicht glorreich durch die Lande
Geleuchtet, und zu starker That entzündet,
Wo der Prophet sein Glaubenswort verkündet?
Er sprach: "Nicht der Zerstörer ist mein Mann,
Groß ist nur Der, der Großes schaffen kann!
Verhaßt ist mir das Glaubensungeheuer,
Verhaßt auch sein zerstörend Glaubensfeuer!
Das ist die Flamme nicht, die den Altären
Iran's entsprang, zu schaffen und zu nähren.
Ein Kind der Nacht ward Muhammed geboren,
Umnachtete die Weisen wie die Thoren.
Dieselbe Unglücksnacht, die ihn gebar,
Zertrümmerte der Parsen Lichtaltar.
Es hat der erste Fußtritt des Propheten
Der heiligen Flammen letzte ausgetreten!
Die Glut erlosch - und mit den heilgen Flammen
Brach Iran's Macht und Herrlichkeit zusammen!"
Ich sprach: Es hat doch manche reiche Hand
Sich später aufgethan im Perserland!
Und manche helle Dichterflamme noch
Ist aufgesprungen trotz dem Glaubensjoch.
Wer möchte gerne sich von Sadi trennen?
Wer ohne Ehrfurcht kann Firdusi nennen?
Wer nicht in Liebe für Hafis entbrennen?
Er sprach: "Gewaltig sind sie alle drei,
Im Leben wie im Liede groß und frei,
Doch hat der Glaube nichts zu thun dabei.
Der Geist ist, der durch Sadi's Werke geht,
Ein Geist der Liebe und kein Mordprophet!
Firdusi war von Iran's Glut durchdrungen,
Bevor er uns sein hohes Lied gesungen,
Das Hohelied, das Wunder - tönige:
Die Parsenmär im Buch der Könige!
"Und erst zum großen Dichter ward Hafis,
Als er die Zwingburg der Moschee verließ,
Mit ganzer Kraft an ihren Säulen rüttelte,
Den Glaubensstaub von seinen Füßen schüttelte.
Bis dahin litt er an demselben Sparren
Wie andre hochbegabte Glaubensnarren.
Erst als er allen Plunder durchgewühlt,
Und nichts für Herz und Geist herausgefühlt,
Sprach er: Wär' ich nicht gleich dem ärgsten Tropfe,
Verschlöss' ich länger mir die Himmelsgabe,
Der ich mehr Witz im kleinen Finger habe,
Als der Prophet jemals gehabt im Kopfe!
"Nicht aus dem Koran sog er Kraft und Nahrung
Zu seinem gottbegeisterten Gesange:
Die ganze Welt ward ihm zur Offenbarung
Seit er gefolgt dem eignen Herzensdrange.
In schönen Menschenaugen, gutem Weine,
Im Sonnenstrahl, im Klang der Waldeslieder,
Im Duft der Rosen in Mosella's Haine,
In jeder Blume, jeder frischen Seele
Fand er die heiligen Flammen Iran's wieder,
Und hauchte sie in ewige Ghasele..."
Ich sprach: Dein Lob ist süß, Dein Tadel bitter!
Dem Dichter ziemt's, daß er den Dichter preise,
Doch, kann nicht auch ein starker Glaubensritter
Des Ruhmes würdig sein in seiner Weise?
Er sprach: "Mir fehlt's an Ohren und an Augen
Für Leute die aus Blut die Größe saugen;
Mit Abscheu mich von solchen Helden wend' ich.
Ich hasse diesen rothen Heilgenschimmer,
Und wurzelt er im Glauben - desto schlimmer!
Das Wort der Araber war sehr verständig
Da sie gesagt: "Der ist kein ächter Dichter,
In dem ein kleiner Teufel nicht lebendig."
Wer an der Schönheit sündiget, den sticht er,
Gleichwie die Dornen an der Rose stechen,
Will eine ungeweihte Hand sie brechen.
Und wer hat an der Schönheit mehr gesündigt,
Als der im Blute uns sein Wort verkündigt?
Denk ich ob solcher Glaubensthaten nach,
So wird in mir ein großer Teufel wach,
Und die da tödten für die Wege Gottes
Sind mir ein Ziel des Zornes, Hasses, Spottes...
Ich sprach: Mirza - Schaffy! Du redest weise,
Du zeigst das Heldenthum in seiner Blöße,
Doch schwer ist mir's, schnell aus dem alten Kreise
Der Ruhmesbilder und der Glaubensgröße,
Aus all dem Glanzwahn mich herauszuwinden,
Auf neuen Wegen mich zurechtzufinden.
Ich dachte stets, ein so gewaltiger Held
Wie Muhammed, der einst die ganze Welt
Mit seinem Schwert und Worte aufgeschreckt,
Deß Schwert bezwang und dessen Wort verführte
Wo immer er sein Banner aufgesteckt,
Daß dem ein gutes Theil von Ruhm gebührte!
Und wiederum Mirza-Schaffy begann:
"O laß Dich nicht von falschem Wahn bethören!
Horch auf und merk dies Wort, mein Sohn: leicht kann
Ein Thor der höchsten Weisheit Werk zerstören.
Zum Schaffen nur bedarf es großer Stärke,
Nicht zum Zerstören! Sieh, die größten Werke,
Die frühere Geschlechter zu errichten
Gewußt, die manch Jahrhundert überdauert,
Die Laune eines Kinds kann sie vernichten
In einem einzigen, windigen Augenblick,
Daß jedes kommende Geschlecht noch trauert
Ob der Zerstörung wüstem Mißgeschick!
"Sieh auf die Trümmer von Persepolis:
Dort stand ein Bau, ein Wunderbau der Welt,
Von hohen Meistern kunstvoll hingestellt,
Schien er der Ewigkeit zu trotzen - bis
Frech einer Dirne Hand ihn niederriß.
"Man zündet an, die Pfeiler stehn in Flammen,
Und mit den Pfeilern bricht das Haus zusammen.
"Gar leicht entzündet sich ein Feuerbrand,
- Wie in der Menschen Geist, so in den Gassen -
Ihn zu erzeugen braucht man nicht Verstand,
- Wie in den Häusern, so im Geist der Massen -,
Denn gleich verderblich wird die Flamme lodern,
Und ohne Schonung ihre Opfer fodern,
Ob eine starke, eine schwache Hand
Die Glut geschürt zu dem Verheerungsbrand.
"Der Islam ist im Blute groß geworden,
Und nur durch Blut kann er sein Dasein fristen.
Gebrochen ist die Kraft der Glaubenshorden
Jetzt überall, wo sie in Frieden nisten."
Er schwieg. Ich merkte eifrig was er sprach,
Und dachte lange ob der Worte nach.
Ein Gleiches thun vielleicht auch andre Christen.
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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