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Gedichte, Lyrik, Poesie

Aus der Heimat und Fremde
162 Bücher



Friedrich von Bodenstedt
Aus der Heimat und Fremde . 1856/1859



Schamyl in den Wäldern von Itschkeri

(1837.)

Zum Kampfe gerüstet die Schaaren stehn,
Die Banner des Halbmonds und Adlers wehn.
In Itschkeri's Wäldern, auf freiem Plan,
Zu Schamyl sprengt der Feldherr der Russen heran:

"Ich grüß' Dich, Schamyl, Du furchtloser Held!
Du Herrscher des Landes und Führer im Feld,
Du Leitstern der Völker des Kaukasus:
Der Russenzar sendet Dir Botschaft und Gruß!
Genug ist's der Kämpfe im Daghestan,
Sei des mächtigen Zaren Unterthan,
Und Du sollst zum Lehn alle Lande empfahn
Der Heldenstämme von Lesghistan!"
Da runzelt Schamyl sein stolzes Gesicht:
- Was mein ist, brauch' ich als Lehen nicht! -

"Beug, tapfrer Imäm, Deinen stolzen Muth!
Was der mächtige Zar Dir aus Gnade thut
Wird sonst Dir entrissen mit Feuer und Blut:
Siehe, zahllos wie der Sand am Meer
Ist das unübersehbare Russenheer,
Und der Name des Zaren ein Schrecken auf Erden!"

- Und sei wie der Sand die Zahl Eures Heers:
Meine Krieger sind wie die Wellen des Meers,
Die den stiebenden Sand hinwegspülen werden! -

"Greift rächend mein Heerbann zu Schwert und Gewehr:
Weh, Weh Dir, Schamyl, dann, und Weh Deinem Heer!
Wenn sich dunkel die Banner des Adlers entrollen,
Wenn die Donner aus hundert Geschützen grollen:
Was den Kugeln entfleucht und den Schwertern im Kampf,
Sinkt heulend zermalmt unter Rossegestampf!"

- Daß Gott Dir die Zunge im Munde verdorrt!
O schweig, stolzer Prahler, Fluch treffe Dein Wort!
Deiner eigenen Söldlinge grimmes Geschick
Weissagt mir Dein unglückverheißender Blick.
Und flattert der Adler auch stolz und hoch:
Der leuchtende Halbmond glänzt höher noch!
Sieh meine gepanzerten Schaaren stehn:
Den schlanken Kabarder, den stolzen Tschetschén,
Noch nie hat ein Feind ihren Rücken gesehn!
Wie sie halten zu Rosse so stattlich und kühn,
Wie die dunkelen Augen vor Kampflust glühn -
Mehr zählt solch Ein Held aus kaukasischem Blut,
Als hundert von Eurer geknechteten Brut!

"Ein Wort noch, Schamyl, von dem, der mich gesandt,
Sieh, es hält eine Kugel und Salz meine Hand -
Das Salz deutet Frieden, doch Feindschaft das Blei,
Wähl Eines, so ist meine Botschaft vorbei.
Doch vernimm, eh' Du wählest: das bleierne Loos
Birgt Weh und Verderben im dunkelen Schoß -
Dein Sohn weilt gefangen in meinem Gezelt,
Schon sind, ihn zu tödten, die Henker bestellt,
Und wählst Du die Kugel, so fällt sein Haupt,
Und dem Sohn hat der Vater das Leben geraubt."...

Da zuckt's wie ein Blitz durch die Brust des Imäm,
Als er schaudernd das furchtbare Wort vernahm -
Es durchrieselt ihn kalt, seine Wange erbleicht,
Wild ballt sich die Hand, und das Auge wird feucht.
Doch bald faßt er sich wieder, der Kampf ist vollbracht,
Seine Hand greift das Blei:

- Nun, wohlan denn, zur Schlacht!
Und fällt auch mein Sohn unter Henkershand:
Mein Blut ist mir theuer, doch theurer mein Land!
Mein Herz ist gewappnet für Unglück und Wehe,
Allah ist groß, Sein Wille geschehe! -


  Friedrich von Bodenstedt . 1819 - 1892






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