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Gedichte, Lyrik, Poesie

Aus der Heimat und Fremde
162 Bücher



Friedrich von Bodenstedt
Aus der Heimat und Fremde . 1856/1859



Stammbuchblätter

1.

Wer meinem Herzen fremd geblieben,
Dem mag ich fremd auch selber bleiben -
Weil Du in's Herz Dich mir geschrieben,
Will ich mich Dir in's Album schreiben -
Und wird mein Bild aus Dir vertrieben:
Nie werd' ich Deins aus mir vertreiben!


2.

Ein treu Gedenken, lieb Erinnern
Das ist die herrlichste der Gaben
Die wir von Gott empfangen haben -
Das ist der goldne Zauberring
Der auferstehen macht im Innern
Was uns nach Außen unterging.


3.

Ein flüchtig Wandern ist mein Leben,
Ein stetes Kommen und Verschwinden -
Kein fester Hort ward mir gegeben,
Und nirgend soll ich Ruhe finden.

Nie kann ich vorwärts schauen, als
Um weiter meinen Fuß zu lenken,
Und nirgend Hütten bauen, als
In guter Menschen Angedenken.

Nur Eines ist mein Trost geblieben
Und lindert stets der Trennung Schmerzen:
Aus manchem Ort ward ich vertrieben,
Doch nie aus meiner Freunde Herzen!


4.

Und thut Dir's weh, daß ich von Dir geh,
Warum willst Du noch daß es Dein Auge seh,
Und les' es schwarz auf weiß verbrieft,
Wie mir das Herz vor Wehmuth trieft?

Ernst mahnend wie die Freude flieht,
Ein Schatten des Gedankens zieht
Das geschriebene Wort dem Blick einher,
Und macht das Herz uns trüb und schwer.

Da steht nun das Wort so traut und lieb,
Doch wo ist die Hand die es niederschrieb?
Und wo ist die Brust der es schwer entklang,
Und der Mund der es zitternd wiedersang?

Drum thut Dir's weh, wenn ich von Dir geh,
Warum willst Du noch daß es Dein Auge seh?
Der Eine ist für den Andern fort,
Und Nichts bleibt als das kalte Wort!


5.

Wenn sich der Brust ein trauter Klang entwindet,
So ist es seine herrlichste Belohnung
Schließt er sich an ein andres Herz und findet
Auch in dem andern Herzen gastlich Wohnung.

Doch - wüßt' ich, Du bedürftst erst dieses Blatts
Zu meines Namens dauerndem Gedächtniß:
So nähm ich ihm gern wieder seinen Platz,
Zu allen Winden wünscht' ich solch Vermächtniß!


6.

Wenn das Glück sich wenig um mich kümmert,
Kümmr' ich desto mehr mich um das Glück,
Und was mir die Gegenwart zertrümmert,
Bringt mir die Vergangenheit zurück.

Alles Ferne zeigt sich in Verklärung
Meinem Aug', der Schmerz gleichwie das Glück;
Im Genuß ruf' ich mir die Entbehrung,
In Entbehrung den Genuß zurück.


7.

Wohl besser ist's, ohn' Anerkennung leben
Und durch Verdienst des Höchsten werth zu sein,
Als unverdient zum Höchsten sich erheben,
Groß vor der Welt, und vor sich selber klein.


  Friedrich von Bodenstedt . 1819 - 1892






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