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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
Steppenbrand
Endlos wie das ewige Meer,
Nur vom Himmel trüb umzogen,
Liegt die Steppe, - flüsternd wogen
Grüne Wellen hin und her,
Schon verdorrt vom Sonnenbrande,
Halme die kein Schnitter mäht,
Und, soweit das Auge späh't,
Wüst und öde ist's im Lande.
Müde von dem langen Ritte,
Hemmt' ich meines Rosses Schritte,
Kehrte meinen Blick nach innen,
Und versank in tiefes Sinnen.
Ich gedachte frührer Zeiten,
Wo durch diese öden Weiten
Wohlbewehrt mit Pfeil und Bogen
Wilde Reiterschwärme zogen,
Deren Herr im Steppenzelt
Herrscher war der halben Welt.
Fürsten hielten ihm die Bügel,
Schrecken herrschte wo er naht',
Der, wie niedre Maulwurfshügel,
Mächtige Reiche niedertrat, -
Seine roß-beschwingten Krieger
Mordend in die Völker hetzte, -
Seinen Fuß, ein stolzer Sieger,
Auf der Könige Nacken setzte.
Also ließ ich alter Zeiten
Bilder bunt vorübergleiten
Meinem Blick, und auferweckte
Todte Völker .... plötzlich schreckte
Fernes, donnerlautes Toben
Mich empor - ich sah nach oben:
Langsam und gewitterschwer
Wogte schwarz Gewölk einher.
Wieder hört' ich Donner rollen
Lang, mit kurzem Unterbrechen,
Wie wenn mächtige Eisesschollen
In den Strömen krachend brechen.
Fromm bekreuzten die Kosaken
Sich bei Donnerschlag und Blitz,
Spähten mit gebognem Nacken
Scheu umher vom Sattelsitz.
Immer schwärzer überzogen
Ward es ringsum, schwüler, trüber,
Dichte Schwärme Vögel flogen
Tiefen Flugs an uns vorüber.
Wie so vorwärts, seitwärts immer
Spähend meine Blicke schweifen,
Seh ich fern in hellem Schimmer
Einen breiten, rothen Streifen -
Keinen jäh vom Blitz erzeugten,
Der schnell kommt und schnell verschwindet,
Auch von keinem Wetterleuchten:
Denn stets heller, breiter windet
Sich der Streifen um das Land.
Ein Kosak wirft sich vom Pferde,
Drückt sein lauschend Ohr zur Erde,
Springt dann auf, mit Angstgeberde
Starr dem Streifen zugewandt:
"Himmel! hilf, ein Steppenbrand!"
Hat der Blitz in's Kraut geschlagen?
Ward die Steppe angesteckt?
Keiner weiß es, und das Fragen
Ist umsonst - doch aufgeschreckt
Tragen uns die zähen Pferde
Flüchtigen Laufes, langgestreckt,
Daß der Hufschlag auf der Erde
Kaum vernehmbar bei dem Reiten.
Und durch ungemessne Weiten
Fliegen wir mit Windesschnelle,
Spähend oft das Auge wendend
Nach der grausigen Flammenhelle ...
Schwarzen Rauch nach oben sendend
Wälzen sich die wilden Gluten,
Wie empörte Meeresfluten,
Unter mächtigem Prasseln, Zischen,
Immer näher, und dazwischen
Schallen fernher Jammertöne,
Schrill, wie Sterbender Gestöhne.
Sieh dort, flüchtige Dromedare
Die der Karawan' entrannten,
Alle andern schon verbrannten;
Und uns sträuben sich die Haare
Vor Entsetzen - um uns wehen
Wolken Rauches - kaum noch sehen
Wir im immer schwärzern Qualme
Unter uns die Steppenhalme.
Schakalschwärme wimmern, heulen,
Fliehend vor den Flammensäulen
Die mit Riesensprüngen nahn -
Tod, Verzweiflung allerorten,
Und es glüht, als ob die Pforten
Sich der Hölle aufgethan.
Thier' und Menschen sind verloren;
Nirgends Hülfe. Wir befehlen
Gott im Himmel unsre Seelen,
Drücken krampfhaft noch die Sporen
In der Pferde blutige Weichen,
Daß sie wie die Windsbraut streichen
Durch die Steppe vor den Flammen.
Plötzlich bricht mein Pferd zusammen -
Um uns rauscht's - wir sind gerettet
In des Kuban Strom gebettet.
Und kaum haben wir die Flut
Ueberschritten, und ein Kurzes
Von dem Sturmritt ausgeruht,
Als es ungethümen Sturzes
Strömend aus den Wolken bricht,
Daß man vor dem Regen nicht
Mehr die Glut am Horizonte
Noch die Steppe sehen konnte.
Bald erloschen war das Feuer,
Das, ein lechzend Ungeheuer,
Mit Millionen Flammenzungen,
Was die Steppe trug, verschlungen,
Bis es selber lag getödtet.
Wieder lichtet sich der Himmel;
Aus dem schwarzen Rauchgewimmel
Stiegen Wolken auf, geröthet
Von der Abendsonne Glut.
Lange hatt' ich ausgeruht,
Sinnend rings mein Auge weidend;
Und ich dachte, da wir scheidend
Fürbaß unsres Weges zogen:
Jene wilden Kriegerheere,
Die einst dieses Land durchflogen
Zahllos wie der Sand am Meere, -
Was von ihnen ist geblieben?
Staub, vom Sturm umhergetrieben
Und verweht durch alle Lande.
All ihr Thun glich diesem Brande!
Trüb wie Rauch blieb nur die Sage
Von dem Glanz der alten Tage.
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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