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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
Warum - Darum
Warum ich, seit wir Mann und Weib,
So selten Dich besinge?
Ich habe andern Zeitvertreib,
Und treibe bess're Dinge!
Wo leer das Herz, ist voll der Mund
Von Worten überschwenglich -
Doch, giebt sich wahre Wonne kund:
Sind Worte unzulänglich!
Man wünscht, was man nicht hat; man singt
Von Sehnen und Verlangen -
Doch nie ein Mund von Liedern klingt
Bei Küssen und Umfangen!
Und müßt' ich Rechnung geben Dir
Von allen Küssen täglich:
Es wären bald die Lippen mir
Zum Küssen unbeweglich!
Zu schweigen ist der beste Brauch
Mit ächter Lust verträglich -
Drum heißt's bei ganzer Freude auch:
Die Freude ist unsäglich!
Sieh, auch der Erdball freut sich still
Der Sonne, seiner Buhle -
Und wer, wie er, genießen will,
Der schwatzt nicht aus der Schule!
Wenn seine Ruh der Erdball bricht
Und lärmt in seinem Glücke:
Verhüllt die Sonne ihr Gesicht,
Grollend in Sturm und Tücke.
Das merk' ich mir, mein süßes Kind,
Bin still in meiner Wonne,
Damit wir glücklich, ähnlich sind
Dem Erdball und der Sonne.
Drum freue Dich, Du liebes Weib,
Sei froh und guter Dinge,
Und such' Dir bessern Zeitvertreib,
Als daß ich Dich besinge!
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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