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Ferdinand Freiligrath
Gedichte
. 1848
Heinrich der Seefahrer.
1833.
1.
Prächtig, noch in Trümmern hehr,
Mit Moskee und Marmorbade,
Wie ein Mährchenpallast der
Sultanin Scheherezade,
Schriften über dem Portal,
Steht die Mohrenburg Alhambra.
In dem Kloster Eskurial
Blitzt Demant und duftet Ambra.
Trotzig, wie ein Wüstenleu,
Aus dem Meer, ein Felsenaltar,
In die gelbe Berberei
Wachsam schauend, ragt Gibraltar. -
Was sie bauten, was sie bau'n
In den beiden Königreichen,
Die der Sierren Kämme schau'n,
Muß dem Thurm des Prinzen weichen.
Bei dem Vorgebirg Vincent
Steht ein Thurm mit Marmorschwellen
Eine helle Fackel brennt
Dort, den Erdball zu erhellen.
Karten, Rollen mancherlei,
Sammt Boussolen und Quadranten,
In der stillen Bücherei
Liegen dort um den Infanten.
In den Hallen Belem's tönt
Lied und Flüstern holder Damen;
Doch der Sohn des Königs lehnt
Ernst am hohen Fensterrahmen.
Ueber das bewegte Meer
Schweifen läßt er seine Blicke,
Und nach Ländern, die nur Er
Schaut, den Völkern eine Brücke
Schlagen will er. Seine Hand
Streckt er aus nach Negerkronen;
Schiffe hat er ausgesandt,
Zu entdecken fremde Zonen.
An dem Lauf des Senegals,
Zwischen Berbern und Giraffen,
Zeigen Krieger Portugals
Ihre Waffen und Agraffen.
Zu Lisboa prangt das Gut
Ueberwundner, reicher Mohren.
Aus der kühn durchkreuzten Flut
Tauchen schimmernd die Azoren.
Milden Himmels, reich an Holz,
Zeigt den Schiffern sich Madera;
Heinrichs Wimpel flattern stolz
Auf der Rhede von Terzera.
Nächtlich tritt an seinen Pfühl,
Fremd geschmückt, die Aventure,
Daß sie bunter Träume Spiel
Seinem Geist vorüberführe.
Blumen, die in Indien blühn,
Streut sie lächelnd auf den Schläfer;
Leuchtend durch die Kammer ziehn
Läßt sie Senegambiens Käfer.
Südlich vom Drei-Spitzen-Cap,
Wo die Datteln und die Mandeln
Wachsen, und der Baobab,
Läßt sie den Geliebten wandeln.
Elephanten vor ihm knien
Läßt sie, auf dem Rücken Thürme;
Und vor Diaz führt sie ihn
Nach dem Vorgebirg der Stürme.
An des Persermeeres Saum
Ruht er aus auf Goa's Molo. -
Glich dein Reisen solchem Traum,
Sohn Venetia's, Marko Polo?
2.
Dies Guinea? dies das Cap?
Indien dies, das Ziel der Reise?
Auch um mich mit goldnem Stab
Ziehst du deine Zauberkreise,
Aventure? sendest mir
Deinen Greifen, breit von Schwinge,
Daß im Traum das Fabelthier
Mich nach Mährchenländern bringe?
Reichst mir Kronen und Gestein
Von Kalifen und von Khanen?
Dringst mit mir in Wälder ein,
Voll von rankenden Lianen?
Sorgst, daß man zur Tigerjagd
Elephanten für mich schirre?
Führst mich lächelnd durch die Pracht
Der Oasen in der Dürre?
Zeigst mit triefendem Gebiß
Mir den Panther unter Myrthen?
Dieses ist der Felsenriß,
Wo zum Flug sich Geister gürten?
Dies ist des Propheten Gruft?
Hier im Fels, von Cactusblüthen
Purpurn, ist die finstre Kluft,
Wo das Einhorn Zaubrer hüten?
Diese Knaben, wie der Lenz
Blühend, Kronen in den Händen!
Sind des reichen Orients
Genien? - o, hör' auf, zu blenden!
Laß auf Andre, nicht auf mich,
Deines Hornes Fülle strömen,
Die, verständiger, als ich,
Wählend, deine Gaben nehmen!
Sieh', der Schiffer kehrt mit Gold
Aus des Südes heißen Zonen;
Edle Würzen sind der Sold,
Die den kühnen Zug belohnen.
Thiere, die kein Aug' gesehn,
Vögel, die am Südmeer nisten,
Pflanzen, die am Indus stehn,
Legt der Forscher in die Kisten.
Und der Weise, zieht er aus
In des Ostens glüh'nde Striche,
Trägt als Beute sich nach Haus
Fremder Lehre tiefe Sprüche,
Ich, aus Ländern, wo des Lichts
Aufgang, aus den buntgestickten
Türkenzelten, bringe Nichts,
Als die Bilder des Erblickten;
Die ich, frisch und farbenreich,
Mit des Liedes bunten Netzen
Fess'le; doch kommt Solches gleich
Jener Männer bessern Schätzen?
Was sind Lieder, deren Saum
Fremde Reime wirr umranken,
Wie an einem Tropenbaum
Lianenblumen üppig schwanken?
Ferdinand
Freiligrath . 1810 - 1876
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