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Ferdinand Freiligrath
Gedichte
. 1848
Der Wassergeuse
Die Nordsee hat den Todten
Ans Ufer ausgespie'n;
Der Fischer sieht ihn liegen,
Und schreitet von der Dün'.
Er drückt aus seiner Schärpe
Das Wasser und das Blut;
Er lüftet ihm den Panzer,
Und nimmt ihm ab den Hut;
Den Hut mit bunten Federn,
Mit Halbmond und Agraff',
Meersand verklebt die Umschrift,
Das: "Lieber Türk, als Pfaff!" -
Was lüftest du den Panzer,
Und trägst den Mann ans Land?
Nie mehr zu Schwert und Steuer
Greift dieses Ritters Hand.
Als er, sich nachzuschwingen,
Des Spaniers Bord gepackt,
Beim Entern hat ein Schiffsbeil
Die Faust ihm abgehackt.
Er stürzte jäh zurücke;
Das Meer begrüßt' ihn dumpf.
Hier warfs ihn aus; noch blutet
Der unverbundne Stumpf.
Nach Seelands Ufern schwemmt' es
Den ritterlichen Leib.
An Frieslands Küste findet
Die Hand ein blühend Weib. -
Ein Anker, schwarz und rostig,
Vom Wellendunste feucht,
Steht aufrecht dort, ein Weiser
Wie weit die Meerfluth steigt.
Auf den sich lehnend, späht sie,
Ob nicht ein Segel schwillt,
Ob nicht ein Wimpel flattert, -
Recht wie der Hoffnung Bild.
Da kommt die Hand geflogen,
Als wär's zu Druck und Gruß.
Die bleichen starren Finger
Berühren ihren Fuß.
Und an der Finger Einem
Glänzt dunkelroth ein Stein;
In den sieht man gegraben
Die Falken und den Leu'n.
Nicht rauscht fortan den Seven
Der Falken Flügelschlag;
Dieß ist die Hand des Löwen,
Der ihr zu Füßen lag;
Für dessen Stirne fürder
Sie keine Kränze flicht. -
Es fängt schon an zu dämmern;
Ich seh' ihr Antlitz nicht.
Ich sehe nicht, ob dunkel
Ihr Aug' in Thränen schwimmt;
Doch seh' ich, wie sie zitternd
Die Hand vom Boden nimmt,
In ihren weißen Schleier
Die blut'gen Reste hüllt,
Und heim wankt durch die Dünen, -
Nicht mehr der Hoffnung Bild.
Ferdinand
Freiligrath . 1810 - 1876
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