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Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Ferdinand Freiligrath
Gedichte . 1848



Die Schiffe

In der Lenznacht an dem Hafen bin ich auf und abgegangen;
Träumend flüsterten die Segel an den schwarzen Segelstangen.
Schlummernd lagen die Korvetten, schlummernd lagen die Fregatten;
Bugspriet nur und Fockmast hört' ich sich besprechen noch im Schatten.

Und in ihre leisen Reden scholl das Murmeln der Figuren.
Seht ihr sie? - vorn auf den Schiffen! - Thetis und die Dioskuren!
Robin Hood, und o der Paarung! - lächelnd neben ihm Frau Venus!
Dort im Lotoskranz der Indus, und im Schilfkranz hier der Rhenus!

Götter waren's und Heroen! schlanke Weiber, bärt'ge Greise!
(Jedes Schiff hat seinen Namen, und es ist der Schiffer Weise,
Daß das Bildniß des Erlauchten, der des Fahrzeugs Hort und Pathe,
Wohlgemeißelt, unterm Bugspriet sie befestigen zum Staate.)

Dies die Rufer, deren Stimmen jetzo, wo die Kiele schliefen,
Durch das Dämmerlicht der Mainacht leise sich bei Namen riefen;
Lauschend sprang empor die Welle, so der Murmler Fuß benetzte,
Und auf eines Ankers Trümmer war's, daß lauschend ich mich setzte.


Neptun.

Siehst du das Blut, o Rhein,
Das meine Füße röthet?
Vom Opfer ist's, das ein
Aethiope mir getödtet!

Es war in Afrika;
Wir lagen vor der Brandung.
Kein nordisch Auge sah
Den Ort vor unsrer Landung.

Es war beim Fliehn der Nacht;
Laut ward's in der Schebecke.
Der Morgenruf der Wacht
Erscholl auf dem Verdecke.

Des Zebra's bunte Zucht
Erging sich am Gestade;
Das Quagga schritt zur Bucht,
Daß es die Schenkel bade.

Da kam vom Bergeshang
Ein Greis, ein Aethiope;
Zu seiner Rechten sprang
Die zahme Antilope.

Durchbohrt von seinem Speer
Sah ich alsbald sie fallen,
Er sagte: "Laß, o Meer,
Mein Opfer dir gefallen!"

Das Blut rann auf den Sand,
Die Flut hat es verschlungen,
Und ist zu meinem Stand
Damit emporgesprungen.

Wie lang ich auch den Ort
Seitdem verlassen habe,
Doch spülte sie nicht fort
Des Schwarzen Scharlachgabe.

Den ganzen Winter schnob
Der Nord durch meine Stengen.
Wann wird der Aethiop
Aufs Neue Blut mir sprengen?


Baffin.

Ein purpurn Opfer, bald schon wohl
Wird rauchend übern Sand es rollen,
Wenn irgend eine Bucht am Pol
Mich eineis't mit gewalt'gen Schollen.

Ein rauh Gebiet! die See voll Eis!
Gefrorner Schnee das Kleid der Erde!
Gesenkt die Schaufeln des Geweih's,
Gräbt sich ihr Mahl die Rennthierheerde.

Und sieh'! aus eines Rennthiers Haut
Hat am Gestade sich der Lappe
Ein kegelförmig Haus gebaut,
Bedeckt mit weißer Flockenkappe.

Draus wandelt er mit festem Schritt,
Und wählt ein Thier sich ohne Fehle.
Er läßt es knien; - ein rascher Schnitt! -
Ein Blutstrahl siedet aus der Kehle.

Er wühlt sich zischend in den Schnee,
Und bahnt sich dunkelrothe Gleise;
Doch nicht gelangt er bis zur See;
Kalt weht der Nord - er wird zu Eise.


Rhenus.

Nicht von Guinea bin ich kommen,
Nicht nach dem Eismeer steht mein Sinn.
Den deutschen Strom herabgeschwommen
Nur komm' ich, dessen Bild ich bin.

Nicht, wenn im Flusse man sich spiegeln
Die Traube sieht, vom Herbst gebräunt,
Es war die Zeit, wenn auf den Hügeln
Der Rebstock seine Zähren weint.

Der Lenz durchschritt den weiten Garten,
Den Gott gepflanzt am Rheinesstrand;
Er schaute lächelnd von den Warten
Der grauen Burgen durch das Land.

Vorüber flogen Römerpforte,
Vorüber Burg, Abtei und Dom;
Versunkne Waffen, goldne Horte
Erglänzten funkelnd tief im Strom.

O, welch ein Fahren, welch ein Schwimmen!
Ins Flutgebraus der Lurlei sang.
Am Ufer scholl von freud'gen Stimmen
Ein Lied: "Es klingt ein heller Klang!"

Mit meinen Reben, meinen Sagen,
In eurem bunten Kreise hier,
Vom Innern an das Meer getragen,
Wie fremd, wie fremd erschien' ich mir!


The Arab.

Laß brausen deiner Sagen Quell;
O, laß mich hören dein Gedicht!
Hier stört das heis're Nachtgebell
Des Schakals den Erzähler nicht!

Komm, laß uns üben freud'gen Tausch!
Wenn deine Quelle mich geletzt,
Dann will ich, daß in glüh'nden Rausch
Scheherezade dich versetzt!

So tauschten, als das Abendland
Vordem in blanker Waffen Schmuck
Gen Morgen zog, beim Stillestand
Der Waffen, Ritter und Seldschuk.

Sie lagen an des Wachtfeu'rs Glut;
Im bunten Turban hier der Schech,
Der Ritter dort im Eisenhut
Und in des Panzers güldnem Blech.

Der laue Wind der Wüste fährt
Durch Beider schwarz und gelb Gelock;
Das Wüstenroß, des Rheines Pferd
Stehn friedlich an demselben Pflock.

Und die noch gestern feindlich Bahn
Sich hieben in des Kampfes Reih'n,
Das Kreuzschwert und der Ataghan,
Sie liegen heut auf Einem Stein.

Die Lanze lehnt sich an den Speer -
So kürzten denen auf der Wacht
Arabisch Mährchen, deutsche Mähr
Die Eine kurze Friedensnacht.

Des Deutschen Sage war dem Licht
Des Mondes dieser Mainacht gleich;
Des Emirs einem Truggesicht
Der Wüste, blendend, schimmerreich.


Gladiator.

Und wem die meine? - Dieses Schiff
Das zweite schon, auf dem ich fahre.
Im Südmeer ein Korallenriff
Ward vorig Jahr des ersten Bahre.

Ein Fahrzeug von Archangels Werft
Schwamm dort zur Seite mir, die Lena;
Doch nur für mich fand ich geschärft
Den Klippendolch der Schaumarena.

Sie ließ er ziehen ihren Lauf,
Und eine Palmenbucht erreichen;
Mir aber riß er meuchlings auf
Des Bauchs metallbeschlagne Eichen.

Arg haus't im Takelwerk der Sturm;
Das Steuer dröhnt, die Masten schwanken.
Der Fechter krümmt sich wie ein Wurm -
Jäh berstend lösen sich die Planken.

Und untergeht in weißer Furch',
Was gestern froh noch Flaggen hißte.
Des Schiffes Bild nur schlägt sich durch,
Gespült von seinem Schaugerüste.

Frisch kämpf' ich mit der Wellen Schwarm,-
Gern muß der Gladiator ringen! -
Da plötzlich einen weichen Arm
Fühl' ich erzitternd mich umschlingen.

Bleich aus der Schwärze nassen Haars
Schaut mich ein Antlitz an mit Zagen.
Des Schiffers holde Tochter war's; -
Halt' fest! sei stark! ich will dich tragen!

Und fest verkrampft sich Hand in Hand;
Drei Tage lang trag' ich die Bleiche.
Am vierten endlich seh' ich Land,
Doch seh' ich's nur für eine Leiche.

Die Brandung wirft uns ans Gestad,
Allwo, die Schwester zu empfahen,
Durchs Palmenholz auf blum'gem Pfad
Des Eilands schlanke Töchter nahen.

Leis rauscht das Meer, die Taube girrt;
Sie haben weinend sie bestattet.
Von einem alten Brodbaum wird
Des fremden Mädchens Gruft beschattet. -

Die Lena lag am Ufer schon,
Ganz, nur ihr Bild des Sturmes Beute!
Ich ziere jetzt ihr Gallion,
Und sehne ruh'los mich ins Weite!


Indianer.

Und ich im Wasser spiegle mein Gesicht
Und meines Haares dunkelbraune Stränge,
Zu schau'n, ob Flammen meiner Stirne nicht
Versengt der Federn feuerroth Gepränge.


Mandarin.

Und ich auch spiegle tief mich in der Flut,
In der sich spiegeln Segel, Raa'n und Masten,
Auf daß ich seh', ob unversehrt von Glut
Mein gelb Gewand und meiner Mütze Quasten.


Indianer.

Denn als ich jüngst von deinem Hafen schied,
O Stadt Newyork, da standest du in Flammen;
Von Funken ward die schwarze Nacht durchsprüht,
Ein Glutmeer war's, in dem wir Schiffe schwammen.


Mandarin.

Denn als ich jüngst, o Canton, dich verließ,
Da branntest du, da schnobst du Rauch und Funken,
Erschreckt von deinen glüh'nden Ufern stieß
Die bunte Menge deiner tausend Junken.


Indianer.

Wohl ist ein Waldbrand grimm und fürchterlich,
Wenn er skalpirt der Berge laub'ge Stirnen;
Nichts hält ihn auf; er wälzt durch Ströme sich,
Verkohlt den Wald, verglas't der Felswand Firnen.


Mandarin.

Und, beim Confuz, ein Schauspiel, groß und hehr,
Gewährt dem Aug' die Feier der Laternen.
Da wird die Stadt zu einem Strahlenmeer,
Die Straßen sind Jantsekiangs von Sternen.


Indianer.

Doch mehr als Waldbrand war in jener Nacht
Der Brand Newyorks: die höchsten Dächer schürzen
Mit Flammen sich, Gewölb' und Giebel kracht,
Die Häuser taumeln und die Thürme stürzen.


Mandarin.

Und welch Laternenfest an Glanze kam,
Dem Brande gleich der dreizehn Handelshäuser?
Als er durch Boten das Gerücht vernahm,
Zerriß zu Peking sein Gewand der Kaiser.


Indianer.

Als meinen farb'gen Federnkranz bestaubt
Die weh'nde Asche, zog ich fort in Trauer.


Mandarin.

Und Cantons Asche streuten auf ihr Haupt
Die Wächter auf der großen Mauer.

An dem Hafen in der Mainacht bin ich auf und abgegangen.
Bis des Morgens frischer Odem kühlte meine heißen Wangen.
Rings auf den Verdecken hört' ich fremder Vögel Frühling schallen,
Aus dem Garten überm Wasser scholl das Lied der Nachtigallen.


  Ferdinand Freiligrath . 1810 - 1876






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Die Schiffe, Ferdinand Freiligrath