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Ferdinand Freiligrath
Gedichte . 1848



Die seidne Schnur

1.

Im Harem weilt der Großwessir;
Mit Dolch und Flinte vor der Thür
Steht Wache haltend der Arnaut;
Auf eines Tigers bunter Haut

Liegt der Gebieter. - Schleierlos,
Kein Gurt umfängt den vollen Schoos,
Aus Purpurfalten glänzt wie Schnee
Ihr Fuß mit ringgeschmückter Zeh',

Entfesselt rollt ihr Haupthaar hin -
Ruht schlummernd die Circassierin
An seiner Brust; vom Kaukasus
Der Demant glänzt am Bosphorus.

Sein Auge glüht; sein Barthaar wallt
Auf die wollüstige Gestalt.
Sie träumt; sie lächelt; der Email
Der Zähne glänzt; - "Birgt dein Serail,

Soliman, solch ein Weib?" - Er sinkt
Zu ihr hinab, brünstig umschlingt
Er sie, berauscht von ihrem Hauch,
Von Moschusduft und Ambrarauch.


2.

""Ein Reitertrupp! - der Aga der
Eunuchen, Jussuf!"" - "Bringt ihn her!" -
Jussuf, der Neger aus Dar Fur,
Reicht grinsend ihm - die seid'ne Schnur.


3.

Wie die Oase der Samum
Versengt, gleichwie das Opium
Betäubt, wie gift'gen Hauchs die Pest
Hinwirft, und ihren Raub nicht läßt:

So treffen des Verschnitt'nen Worte.
Den Großwessir der hohen Pforte.
Sein Mund wird blau, sein Antlitz fahl;
In Stücke reißt er seinen Shawl.

"Daß dich des Blitzes Glut versehrt,
O Maulbeerbaum, der du genährt
Den Wurm, der diese Seide spann!
Verdorren soll die Hand dem Mann,

Der knechtisch diese Schnur gedreht,
Die - von Roßschweifen einst umweht!
An Leila's - meine Zeit ist um!
Das Schicksal will es! - Opium!

Ha, daß mich kein Rhodiser Spieß
Im Handgemenge jäh durchstieß!
Ha, daß mich nicht im goldnen Mörser
Zerstampfte der siegtrunkne Perser!

Ich ward verschont! - der Strang von Seide
War mir bestimmt!" - er sinnt; der Scheide
Nimmt er den Dolch; hin fliegt die Schnur
Auf des Gemaches Teppichflur.

Leila's Gelock, lang, wallenden Falls,
Schlingt er sich um den sehn'gen Hals;
Fest knüpft er es; sie schläft; das Erz
Stößt er ihr abgewandt durch's Herz.

Sie zuckt empor; sie will entfliehn;
Die Haare - sie erdrosselt ihn!
Um seinen Mund spielt gräßlich Lächeln,
Dumpf durch's Gemach schallt Beider Röcheln.


  Ferdinand Freiligrath . 1810 - 1876






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Die seidne Schnur, Ferdinand Freiligrath