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Ferdinand Freiligrath
Gedichte
. 1848
Einem Ziehenden
1835.
Die See geht hoch; tritt deine Wallfahrt an!
Laß von den Raa'n
Die Segel fallen, laß die Wimpel wehn!
Am Ufer stehn
Und meerwärts winken will ich mit dem Hut,
Bis aus den Augen dich mir trägt die Fluth.
Du stehest sinnend auf des Schiffes Stern!
Bald senkst du fern
In fremden Kiessand deines Ankers Wucht:
Sei's! - keine Bucht,
Kein Meereseiland, keine Küstenstatt,
So nicht für dich ein freundlich Grüßen hat.
Heil, wer, wie du, das weite Meer befährt!
Du hast gehört
Von den Entdeckern, die da ohne Furcht
Die See durchfurcht,
Und deren Züge, kreuzend her und hin,
Ein geistig Netz um das Gewässer ziehn.
Du hast gehört von wüsten Inseln auch,
Allwo, das Aug'
Auf's Meer geheftet starr und unverwandt,
In sehn'ger Hand
Die hagre Wange, der Verschlagne sitzt,
Indeß die Welle seinen Fuß bespritzt.
Das sind die Helden deiner Knabenzeit;
Die Einsamkeit
Des Tannenwalds durchzogen sie mir dir,
Vasallen schier.
Du führtest sie, schweißtriefend und bestaubt,
Ein dreizehnjährig Abenteurerhaupt.
Aus Busch und Wolke traten sie hervor:
Du sprangst empor
Vom moos'gen Stamm; da saus'ten sie vorbei,
Ernst mit dem Blei
Die Tiefe messend, Flaggen schüttelnd; - du
Riefst ihnen Grüße durch das Sprachrohr zu.
Jetzt wird dir Alles wie ein Traum erfüllt.
Aufs Neue quillt
Und sprudelt dir der alten Wunder Born;
Ein reiches Horn
Von Abenteuern gießt mit üpp'gem Guß
Vor deine Füße seinen Ueberfluß.
Und Eins noch weiß ich, was das wüste Meer
Dir werth und hehr
Und herrlich macht. O, rede: weht nicht auch
Der Dichtung Hauch
Auf diesen Wassern? schimmern glüh'nd und frisch
Nicht Liederkronen auf der Fluth Gezisch?
Was nenn' ich dir Jedweden von der Zeit
Homers bis heut',
Der da ein Blatt in diese Kränze wob?
Du kennst ihr Lob.
Aus jeder Welle, die am Schiff sich bricht,
Ersteht ein Held dir, klingt dir ein Gedicht.
Auch deutsche Lieder! - Die auf schatt'ger Stell'
Im Wald, am Quell
Und Strom erwuchs, die deutsche Poesie,
Sie weilt' auch hie!
Sie sah die Wasser, Noah's Taube gleich,
Und kehrte heim mit manchem grünen Zweig.
Stand Lenau nicht noch jüngst an einem Steu'r,
Und sah den Schlei'r
Die Meerfrau'n lüften? aus der Tiefe drang
Gruß und Gesang.-
Und schwamm nicht in des Ruriks Wellenwieg',
Der auf den Fels Salas y Gomez stieg? -
Die See geht hoch; tritt deine Wallfahrt an!
Laß von den Raa'n
Die Segel fallen, laß die Wimpel wehn!
Am Ufer stehn
Will ich! - Leb' wohl! - wie ferne schon, wie fern-
Du stehest sinnend auf des Schiffes Stern.
Ferdinand
Freiligrath . 1810 - 1876
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