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Gedichte
162 Bücher



Ferdinand Freiligrath
Gedichte . 1848



Fieber

"Nur Wasser! o, das kühlt! - die Fratze
Fällt nachgerade mir zur Last!
Das Maul des Kerls und seine Glatze
Sind mir bis in den Tod verhaßt!
Jetzt an den Puls, jetzt eine Prise -
Fort mit der Hand, armsel'ger Tropf!
Ja murre, Fas'ler! Krise, Krise! -
Du Narr, das Glas dir an den Kopf!

Endlich, der Zaubrer ist bezwungen!
Mein dreister Wurf hat ihn gebannt.
Dem Wächtervolk bin ich entsprungen! -
O, welch ein Schweben! welch ein Land!
Der Wald von Duft durchzogen! golden -
Die Sonne badet sich - der Strom!
Das Feld voll tausendfarb'ger Dolden!
Der Himmel ein sapphirner Dom!

Wie kühl ist's unter diesen Bäumen!
Ach, ich bin matt! wie naß mein Haar! -
Zu trinken! - Ha, Pokale schäumen,
Und Mädchen reichen sie mir dar!
Ach! laßt mich schlummern! - sie bekränzen
Die Stirne mir; der Schönsten Arm
Umfängt mich; ist das Schwerterglänzen?-
Zurück, ohnmächt'ger Söldnerschwarm!

Wer will in meiner Lust mich stören?
Ich grins' ihn an, ich sprech' ihm Hohn.
Und diese Klinge soll ihn lehren,
Wen er geweckt mit seinem Drohn.
Erschallt, Trompeten! fliegt Standarten!
Helmschweife, flattert! Mörser, kracht!
Auf ihren Schädeln wetzt die Scharten
Der Schwerter aus! vorwärts! zur Schlacht!

O seht, wie rieselt aus den Wunden
Das Blut! wie spritzt es himmelan!
Die Streiter alle sind verschwunden,
Ein Blutmeer überschwemmt den Plan.
Wild braus't es! helft, daß ich entrinne!
Vor meinem Aug' schwimmt's purpurroth.
Die Flut ergreift mich; mitten inne
Auf einer Insel steht der Tod.

Zu seinen Füßen speit die Welle
Mich aus; - laß ab, laß ab! - das Thor
Des Himmels dort, hier das der Hölle!
Aus jedem zuckt ein Arm hervor.
Er wirft mich mit verruchtem Lachen
Den Armen zu - sie packen mich!
Des Himmels Engel und die Drachen
Der Hölle streiten sich um mich.

O Gott, o Gott! wie sie mich recken!
Ihr glaubt wohl, daß ihr Eisen dehnt! -
Hierhin und dorthin! - Flammen lecken,
Und unter mir gespenstisch gähnt
Das ew'ge Nichts! - wohin entrinn' ich?
Sie lassen los, sie stürzen jach
Mich in den Abgrund - ha, wo bin ich?
Bei euch? seid ihr es? o, bleibt wach.

O, geht nicht fort! - da kommt er wieder!
Seht ihr ihn nicht? es ist der Tod!
Er beugt sich grinsend zu mir nieder,
O, steht mir bei in dieser Roth! -
Zurück! was legst du mir die Kohle
Aufs Haupt? - ein Loch zu brennen? sprich!
Daß meine Seel' der Teufel hole,
Wenn sie hinausfährt? - wahre dich!"

Wahnsinnig sprang er auf vom Lager,
Pochend die Brust, die Faust geballt,
Die Augen rollend, schlaff und hager
Die halbbekleidete Gestalt.
Wirr um die bleichen Schläfen hingen
Die Haare; brennend, bräunlich roth
Das Antlitz. "Tod, nun laß uns ringen!" -
Er sank zusammen - er war todt!


  Ferdinand Freiligrath . 1810 - 1876






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Fieber, Ferdinand Freiligrath