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Ferdinand Freiligrath
Gedichte . 1848



Im Walde

Geh' ich einsam durch den Wald,
Durch den grünen, düstern,
Keines Menschen Stimme schallt,
Nur die Bäume flüstern:

O, wie wird mein Herz so weit,
Wie so hell mein Sinn!
Mährchen aus der Kinderzeit
Treten vor mich hin.

Ja, ein Zauberwald ist hier!
Was hier lebt und wächs't,
Stein und Blume, Baum und Thier,
Alles ist verhext.

Die auf dürren Laubes Gold
Sich hier sonnt und sinnt,
Diese Natter, krausgerollt,
Ist ein Königskind.

Dort, in jenen dunklen Teich,
Der die Hindin tränkt,
Ist ihr Palast, hoch und reich,
Tief hinabgesenkt.

Den Herrn König, sein Gemahl,
Und das Burggesinde,
Und die Ritter allzumal
Halten jene Gründe;

Und der Habicht, der am Rand
Des Gehölzes schwebt,
Ist der Zaubrer, dessen Hand
Diesen Zauber webt.

O, wüßt' ich die Formel nun,
So den Zauber lös't:
Gleich in meinen Armen ruhn
Sollte sie erlös't,

Von der Schlangenhülle frei,
Mit der Krone blank,
In den Augen süße Scheu,
Auf den Lippen Dank.

Aus dem Teiche wunderlich
Stiege das alte Schloß;
Ans Gestade drängte sich
Ritterlicher Troß.

Und die alte Königin
Und der König, beide,
Unter sammt'nem Baldachin
Säßen sie; der Bäume Grün
Zitterte vor Freude.

Und der Habicht, jetzt gewiegt
Von Gewölk und Winden,
Sollte machtlos und besiegt
Sich im Staube winden. -

Waldesruhe, Waldeslust,
Bunte Mährchenträume,
O, wie labt ihr meine Brust,
Lockt ihr meine Reime!


  Ferdinand Freiligrath . 1810 - 1876






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