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Ferdinand Freiligrath
Gedichte
. 1848
Lieve Heere
Der Spanier liegt vor Zierikzee
Mit seinen Schiffen all';
Die Bürger drinnen hungern sehr,
Und fürchten nahen Fall.
Sie sagen: "wer nimmt diesen Brief,
Und trägt ihn durch das Meer?
Dem Prinzen bringt er einen Brief,
Und uns bringt er ein Heer."
Da waren in der Veste Zwei,
Die sprachen: "Wir! gebt her!"
Lieve Heere war des Einen Nam',
Jan Schagt des Andern der.
Jedweder nähte seinen Brief
Wohl in sein ledern Wams,
Und stürzte sich in's Wasser frisch,
Und trat es, und durchschwamm's.
Die Spanier setzten Boote aus,
Und machten auf sie Jagd;
Wer sich gefangen nehmen ließ,
Das war der Meister Schagt.
Doch als nun Speer und Schlinge flog,
Daß man den Heere fah',
Als er nur Spanier um und um,
Und keinen Ausweg sah:
Da warf er in den Nacken stolz
Sein triefend Haupt zurück,
Und sah die Herrenknechte an
Mit einem stolzen Blick.
"Wir haben ihn, wir haben ihn!" -
Da taucht' er unter schnell;
Glück zu! auf Nimmerwiedersehn!
Du triefender Gesell!
Die Meerfluth schloß sich über ihm,
Und über seinem Brief;
Kein Teufel wußt', was drinnen stand -
Das Meer ist dort sehr tief.
Ferdinand
Freiligrath . 1810 - 1876
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