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Ferdinand Freiligrath
Gedichte . 1848



Meerfabel

5. Mai 1833.

Ebbetrocken auf dem Strande
Lag die unbeholf'ne Kof;
Schwärzlich hing am Mast das Zugnetz,
Das vom letzten Fange trof.

Tastend prüfte seine Maschen
Ein barfüßiger Gesell;
Fische dorrten in der Sonne
An dem hölzernen Gestell.

Heiß und durstig sah die Düne
Auf das Meer, ein Tantalus;
Wie ein großer Silberhalbmond
Blitzte der Oceanus.

Jede Welle, grau und salzig,
Die sich an dem Ufer brach,
Wie zum Gruße mit dem Haupte
Nickte brandend sie, und sprach:

"Am Gestade rausch' ich gerne,
Lecke gern den harten Sand;
Bunte Muscheln, Meeressterne
Schleudre gern ich an das Land.

Gerne seh' ich Heid' und Ginster
Wuchern um die Dünen her.
Hier vergess' ich, wie so finster
Draußen ist das hohe Meer,

Das die kalten Stürme peitschen,
Wo der Normann Fische fängt,
Wo das Eismeer mit des deutschen
Meers Gewässern sich vermengt.

Keine Tonn' und keine Bake
Schwimmt und flammt dort auf der See,
Und allnächtlich steigt der Krake
Aus den Tiefen in die Höh'.

Eine Insel, starr von Schuppen,
Rudert dort das Ungethüm.
Aengstlich flüchten die Schaluppen,
Und der Fischer greift zum Riem.

Aehnlich einer großen schwarzen
Fläche liegt er, kampfbereit,
Und sein Rücken ist mit Warzen,
Wie mit Hügeln überstreut.

Ruhig schwimmt er - doch nicht lange! -
Auf dem Haupte grünes Moos,
Zischend zuckt die Meeresschlange,
Die gewalt'ge, auf ihn los.

Wenn sie blutend sich umklaftern,
Wenn die rothen Kämme wehn,
Kann man keinen fabelhaftern
Anblick auf dem Meere sehn.

Einsam, schauerlich und finster
Ist das ferne, hohe Meer!
Gerne seh ich Heid' und Ginster
Wuchern um die Dünen her."


  Ferdinand Freiligrath . 1810 - 1876






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