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Ferdinand Freiligrath
Gedichte . 1848



Roland

Juli 1839.

Es war im Holz; - wir schritten durch die Gründe,
Wo sich verbirgt die angeschoßne Hinde;
Wo nur durch Blätter niederblitzt das Licht;
Wo mit dem Horne sich das Beil bespricht.

Rings tiefe Stille; nur die wilde Taube
Hebt an ihr Girren über uns im Laube;
Die Quelle nur bricht murmelnd durchs Gebüsch,
Die alten Bäume nur wehn träumerisch.

Die Buche klagt, es flüstert leis die Esche;
Fernab das Pochen einer Eisenwäsche;
Dazu mein Stab, der rauh den Fels berührt -
Das ist die Sprache, die der Bergwald führt.

Ich horcht' auf sie mit innerlichem Schauer;
In meine Waldlust stahl sich süße Trauer;
Es schlug der Fels, es schlugen Eich' und Tann'
Die tiefsten Saiten meiner Seele an.

Ich dacht' an Roland und die Pyrenäen; -
O, wär' auch ich zu solchem Loos ersehen:
Ein kämpfend Leben, Saracenenflucht,
Und das Signalhorn in der Todesschlucht!

Der Kampf ist da: - keck steh' ich bei der Fahne;
Gezückt seit Jahren schimmert Durindane;
Es drängt der Feind mein Lager spät und früh;
Mein Hüfthorn schlummert: meine Poesie!

Es träumt und schlummert ernst an meiner Seite;
Es ruht und sinnt, indeß ich selber streite.
Wild nur zu Zeiten, mit gebrochnem Stoß
Den Kampf belebend, birst sein Schmettern los.

All meine Lieder - nichts, traun, als Fanfaren,
Mich zu ermuth'gen und mich frisch zu wahren;
Blutrünst'ge Klänge, rauhe Melodien,
Die beim Verschnaufen meiner Brust entfliehn!

Wie dürft' ein Krieger Andres auch ersinnen? -
Die Hand an's Schwert, willst du die Schlacht gewinnen!
In deine Waffen athme deinen Zorn,
Am Gürtel feiern laß dein Silberhorn!

Wer schon gesiegt, der schmettre Siegesweisen:
Du, weck' den Schall des Eisens auf dem Eisen!
Fanfaren? - Sei's! - Ein keck und kurz Signal
Sei dir vergönnt zu schleudern durch das Thal!

Allein erst dann ein voll und mächtig Tönen,
Wenn du erlegt den wilden Saracenen;
Wenn du den Stolzen, sammt des Panzers Last,
Hin auf den Boden nun gerungen hast!

In einer Schlucht, wie Ronceval und diese,
Zu deinen Füßen todt dann liegt der Riese;
Allein du selbst auch bist zum Tode wund -
O dann dein Horn, dein Hüfthorn an den Mund!

Bei deines Blutes mäligem Verströmen
Ein letzter Ruf an Karl, den großen Oehmen!
Ein geller Schrei, der Alles, Alles sagt,
Was du gewollt, gerungen und gewagt!

Der es verhaucht in raschen Athemzügen,
Was im Gefechte männlich du verschwiegen!
Ein letztes Beichten und ein letztes Dräu'n -
Die Signatur zu deinem ganzen Sein.

Ha, welch ein Dröhnen! - Rings die Felsen klingen;
An deinem Hals die blauen Adern springen;
Thalein vernimmt es jeder Streitgenoß,
Vernimmt es zitternd, wendet kurz sein Roß.

Der Kaiser naht, es nahn die Paladine -
O Gott, dein Blut entrieselt jeder Schiene!
Sie stehn im Kreise still um dich herum;
Dein Auge bricht - dein Silberhorn ist stumm!

Ein dumpfes Reden drauf durchrollt die Wiese:
"Des Lebens Drang - es ist ein grimmer Riese!
Dem Ernsten Ehre, der ihn treu bestand!
Legt ihn in's Grab, sein Hüfthorn in der Hand!"

Ha, solch' ein Loos! - Aufschauert leis die Esche;
Fernab das Pochen einer Eisenwäsche;
Vorüber jagt Gewitterwolkenflucht,
Und schwarz und schwärzer wird die Felsenschlucht.


  Ferdinand Freiligrath . 1810 - 1876






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