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Ferdinand Freiligrath
Gedichte . 1848



Scipio

Massa, du bist sehr reich! dein Saal ist voll von Pagen:
Zweimal zehn Meilen ziehn am Flusse die Plantagen
Sich hin, wo man für dich die Baumwollstaude bau't;
Wo man das Zuckerrohr für dich mit Messern schneidet,
Wo seine Kraft für dich der Kaffeebaum vergeudet,
Wo in den Raum des Schiffs man deine Ballen stau't.

Massa, du bist sehr reich! wenn unter den Agaven
Der Vogt zusammenruft die Menge deiner Sklaven,
So faßt sie kaum der Platz vor deinem Steinpalast.
Zwölf Pferde reitest du; fünf Schiffe sind dein eigen;
Sie tragen deinen Ruhm in alle Welt; es zeigen
Den Namen, den du führst, die Flaggen hoch am Mast.

Massa, du bist sehr reich! die Tochter des Creolen,
Leicht, wie am Mondgebirg der Zebrastute Fohlen,
Dient dir: - o, welch ein Mund, o, welch ein Aug'! welch Haar!
Sie trägt ein Kleid von Flor, gefärbt mit Cochenille;
Erröthend reicht sie dir den braunen, mit Vanille
Gewürzten Frühetrank der Cacaobohne dar.

Massa, du bist sehr reich! dein Jagdhund heißt Diana!
Hat je ein Hund, wie der, die Wälder von Guyana
Durchrannt und stöbernd das Tajassu aufgespürt?
Weit trägt dein Doppellauf; dem hundertfarb'gen Fittig
Des Tukans ruft er: "Halt!" - Du sagst, er sei von Lüttich;
Mit einem Hirschkopf ist der braune Schaft geziert.

Massa, du bist sehr reich! wenn drückend heiß aus Westen
Der schwüle Landwind weht, verschläfst du in Siesten
Die Glut, der reichste Mann in Paramaribo.
Halbnackt liegst du auf der Vicunnawolle Quito's;
Ich stehe neben dir und scheuche die Moskito's;
Ich bin dein Lieblingssclav; du nennst mich Scipio.

Massa, du bist sehr reich! Dongola's Fürsten äßen
Die Speisen, die dein Koch in silbernen Gefäßen
Auf deine Tafel setzt, o Herr, zur Mittagszeit.
Dein Tisch ist voll vom Gut des Landes und der Tiefen;
Das würz'ge Schwalbennest der fernen Lakediven
Und Seltneres ist dir, Herr, keine Seltenheit.

Massa, du bist sehr reich! wer zählte die Gerichte,
Womit man dich bedient, den Wein, die saft'gen Früchte?
Aus deiner Küche tönt den ganzen Tag Geräusch.
Doch ein Gericht, o Herr, fehlt dir, dein Mahl zu krönen;
Kein andres kommt ihm gleich an Wohlgeschmack; die Sehnen
Stärkt es; o, zürne nicht! - ich meine Menschenfleisch!


  Ferdinand Freiligrath . 1810 - 1876






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