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Ferdinand Freiligrath
Gedichte
. 1848
Antwort auf Lamartine's Gedicht:
nach Jean Rebonl
Der Genius in der Verborgenheit.
Den du genannt mit edelmüth'gem Feuer
Kühn trotzt mein Name der Vergessenheit;
Denn alles Dunkle, das durch deine Leier
Fuhr, hüllt sich in Unsterblichkeit.
O, wenn mein Singen jemals Herzen rührte,
Wenn eine Brust es flammend je durchglüht,
Du, Sänger, wärst es, dem der Dank gebührte!
Mein Lied entstand aus deinem Lied!
Du bist es, du, der meine Seele gähren,
Und edlen Ehrgeiz sie durchlodern ließ;
Du bist es, du, der mich auf den Altären
Der Zukunft täglich opfern hieß!
Du bist für mich der Engel, der die Schritte
Lenkt von den Himmeln zu der Erde Thal,
Der auf den Palast und des Dörfners Hütte
Sich niederlässet ohne Wahl.
Du nahtest mir, der Sphären herrlich Klingen
Und wunderbares Leuchten priesest du;
Da schüttelte, gleich dir, ich meine Schwingen,
Und flog mit dir den Himmeln zu!
Und mich durchfloß ein ungekannt Entzücken!
Ein blendend Leuchten strahlte meinen Blicken,
Und Melodien umtönten mich!
Mein Geist erhub sich, strahlend, neu geboren;
Das All durchschweifen wollt' ich ..... drin verloren
Würd' ich mich haben ohne dich!
Du aber sagtest: "Siehe da die Grenzen!
Verdunkeln wird sich unsrer Träume Glänzen;
Hinab! Für uns nicht solch ein Glück!
Schnell gehn vorüber diese reinen Klären -
Nicht will der Herr dem Staube schon gewähren
Der Engel strahlender Geschick.
O, harren wir, bis sich die Zeit vollendet;
Bis einst der Tod dem durst'gen Geiste spendet
Des Quells, der ew'ge Wonne beut;
Wenn wir den Herrn im Heiligthume preisen,
Dann wird die Welt sich als der Traum erweisen,
Der Himmel als die Wirklichkeit."
Und als du mich zurückgabst dem Gebiete
Des Irdischen, da in den Adern glühte
Ein Fieber mir, das Nichts, ach! kühlt;
Wenn keine Leier, die ans Herz ich drücke,
Die ein berauschend Bild zeigt meinem Blicke
Von Allem, was ich schon gefühlt.
O Strahlen, die mein Aug' ihr einst umgeben,
Wie, euer Glänzen sollt' ich nicht erheben
In meinem neuen Dunkel hier?
Wie, mit den schwachen Tönen meiner Lieder,
Gäb' ich das eure demuthvoll nicht wieder,
Des Himmels heil'ge Lieder ihr?
Ferdinand
Freiligrath . 1810 - 1876
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