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Ferdinand Freiligrath
Gedichte
. 1848
Ballade an den Mond
nach Alfred de Musset
Den Mond durch Nebel scheinen
Hoch überm Thurme sieh',
Wie einen
Punkt über einem i!
Mond, welch ein Geist auf Pfaden
Des Dunkels führet licht
Am Faden
Profil dir und Gesicht?
Nachtaug' mit dunkelm Scheine!
Von Cherub welch ein Duns
Durch deine
Blechmaske schielt nach uns?
Bist du, mit deinem rothen
Gesicht, 'ne dicke Spinn',
Die pfoten-
Und armlos rollt dahin?
Bist du, fast möcht' ich's sagen,
Die Uhr voll Rost und Ruß,
Die schlagen
Der Höll' die Stunden muß?
Frug eben jetzt um Kunde
Sie deine Stirn, was Zeit
Und Stunde
In ihrer Ewigkeit?
Frißt dich ein Wurm, wenn enger
Nun dein geschwärzter Kreis
Und länger
Sich ausdehnt silberweiß?
Wer neulich Abends hatte
Ein Auge dir geraubt?
Traf Latte,
Traf Baumast dir das Haupt?
Durch meiner Scheiben Gitter
Ersah ich deines Horns
Gezitter,
Als wärest du voll Zorns.
Geh, Mond, nicht länger schwebe,
Du Sterbender, einher!
Ach, Phöbe,
Die Blonde, fiel ins Meer!
Soll ewig es sie halten? -
Du bist ihr Antlitz nur;
Voll Falten,
Trägt es des Alters Spur.
Gib uns zurück die Reine,
Die Jäg'rin auf der Birsch,
Im Haine
Verfolgend früh den Hirsch!
Ha, unter den Platanen
Zu sehn im Dickicht hier
Dianen,
Die Hunde neben ihr!
Das schwarze Reh, verstöret
Die Felswand flieh'nd hinan,
Es höret,
Es hört sie zitternd nahn.
Nach setzt der flücht'gen Beute
Durch Wald und Thalgrund heiß
Die Meute,
Geführt vom feuchten Schweiß.
Ha! Phöbe'n, Phöbus' Schwester,
Ertappt im Bad zu schau'n,
Wo Nester
Die wilden Schwäne bau'n!
Sie, die bei Nacht auf Lieder
Und Mund dem Schäfer sinkt,
Wie nieder
Ein Vogel leicht sich schwingt!
O Luna! welchen Schimmer
Und welcher Schönheit Zier
Auf immer
Verleiht dein Lieben dir!
Froh bringt, wer dir begegnet,
Dir seines Dankes Zoll,
Und segnet
Dich, wachsend oder voll.
Dich liebt der Hirt, am Raine
Ausruh'nd bei frischen Quell'n,
Weil seine
Hund' ängstlich dich anbell'n.
Dich liebet auf Kauffahrer
Und Kriegsschiff der Matros',
Lacht klarer
Nachthimmel seinem Floß;
Die Dirne dich, die wählig
Am Saum des Holzes zieht;
Hellkehlig
Läßt schallen sie ein Lied.
Und unter deinem blauen
Aug' reget sich das Meer; -
Zu schauen,
Wie an der Kett' ein Bär.
Und, regn' es oder schneie,
Was jede Nacht komm' ich
Auf's Neue,
Hieher zu setzen mich?
Ich komm', daß ich dich scheinen
Seh' überm Thurme hie,
Wie einen
Punkt über einem i.
Ferdinand
Freiligrath . 1810 - 1876
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