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Ferdinand Freiligrath
Gedichte . 1848



Der Genius in der Verborgenheit

nach Alfons de Lamartine

An Jean Reboul.

Der Odem, dessen Wehn ertönen läßt die Seele,
Und zu Gesängen sie entflammt,
Verschmäht die stolze Pracht der Schlösser und der Säle:
Daß Purpur er und Gold zu seiner Wohnung wähle,
Bedarf Er's, der vom Himmel stammt?

Den Hirten, der aufs Feld hinaustreibt seine Heerde,
Beschattet mit den Flügeln er;
Senkt auf das Strohdach sich der Armen dieser Erde;
Auf schlechtem Wiegenpfühl, mit lächelnder Geberde,
Schirmt er ein herrliches Myster.

Es ist das Kind Homer, das unter wollnem Tuche
Die Sklavin trägt durch das Gewühl;
Es ist ein junger Hirt, der unterm Dach der Buche
Hervortritt, daß er scheu verirrte Ziegen suche,
Und der nach Jahren heißt Virgil.

Der Knabe Moses ist's, den Nileswogen schützen,
Und den die Königstochter liebt;
Den unter Tausenden heimsucht des Sina Blitzen,
Indeß er Marmor hackt und in des Ofens Hitzen
Die ungebrannten Ziegel schiebt.

Noch immer that sich auf die Pforte dieses Schreines:
So reifen zur Unsterblichkeit
Die Perl' im Meeresschooß, das Gold im Ritz des Steines,
Der Diamant im Schacht, dem Hüter seines Scheines,
Der Ruhm in der Verborgenheit!

Ein Phönix ist der Ruhm, ein aus sich selbst Geborner,
Der alle hundert Jahre nur
Sich niederläßt aufs Haupt Geliebter und Erkorner,
Mit seinen Zeichen stirbt - ein ewig dann Verlorner,
Deß Wiege Keiner noch erfuhr!

So wundre dich denn nicht, daß sich ein Sohn des Lichtes
Dein Dunkel nahm zur Ruhestatt:
Erinnre Jakobs dich und seines Nachtgesichtes!
Das Träumen des Genie's, gern eine Stirn umflicht es,
Die Steine nur zum Kissen hat!

Ich selber, reich bedacht mit Dem, was Vieler Streben,
Wie gerne dieses goldne Joch,
Mir auferlegt vom Glück, wie gerne wollt' ich's geben
Für eine Stunde nur der Zeit, wo meine Reben
Und Feigen all' mein Reichthum noch;

Für jener Träume Lust, die mir im Herzen sangen,
Und die kein Gold mir neu beschert,
Die sich ins Purpurmeer der Abendsonne schwangen,
Indeß mein Mütterchen mit glutbestrahlten Wangen
Umwandelte den engen Herd;

Indeß auf ihren Wink zum büchnen Tisch wir traten,
Den ihre Liebe treu gedeckt,
Für unser ländlich Mahl den Herrn um Segen baten: -
Einfache Früchte nur, wie heuer sie gerathen,
Und Brod, wie es der Landmann bäckt.


  Ferdinand Freiligrath . 1810 - 1876






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