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Ferdinand Freiligrath
Gedichte . 1848



Der Inchcap-Felsen

nach Robert Southey

Die Luft und die Welle regungslos:
Rast hielten Fahrzeug und Matros.
Die Segel keines Lüftchens Spiel,
Steif in den Wassern lag der Kiel.

Der Inchcap-Felsen ohne Schaum;
Die See bedeckt' ihn, hörbar kaum;
So leis ihre Schwellung und ihr Fall,
Sie weckte nicht der Glocke Schall.

Es war der Abt von Aberbrothok,
Der auf den Felsen stellte die Glock;
Sie schwamm auf einer Tonne wohl,
Und warnt' im Sturme dumpf und hohl.

Und barg die Flut des Felsen Kron,
Dann hörten die Schiffer den Warneton;
Sie wußten: der Fels ist, wo die Glock',
Und priesen den Abt von Aberbrothok.

Die Sonne strahlt' in Herrlichkeit,
Und alles Ding war fröhlich heut',
Die Möve schrie und netzte die Brust,
Und ihr Geschrei war eitel Lust.

Von fern des Felsen Tonne schien
Ein schwärzrer Fleck im Meeresgrün;
Sir Ralph, der Räuber, beschritt sein Deck,
Und warf sein Aug' auf den schwärzern Fleck.

Er fühlte des Lenzes erheiternde Macht;
Er pfiff, er sang ob all' der Pracht;
Die Freude spannt' ihm das Herze weit,
Doch des Räubers Freude war Gottlosigkeit.

Die narb'ge Stirne zog er kraus:
"Ihr Bursche, setzt die Jölle aus,
Und rudert mich bis an die Glock';
Ich spiel' nen Streich dem Aberbrothok,"

Und nieder schwebte das Boot am Schiff;
Sie ruderten bis an das Riff.
Sir Ralph lehnt' aus dem Boot sich frei,
Und schnitt die Glocke von der Boy.

Die Glocke sank mit gurgelndem Schall;
Aufperlt' und platzt' ein Blasenschwall.
Sprach Sir Ralph: "Wer wieder vertraut der Glock;
Nicht preis't er den Abt von Aberbrothok!"

Sir Ralph, der Räuber, segelte fort;
Er schweifte durchs Meer von Port zu Port;
Und, reich durch Beute nun geworden,
Wandt' er den Kiel nach Schottlands Borden:

Da braut ein Nebel trüb und dicht;
Sie sehn die Sonne selber nicht.
Der Wind blies frisch den ganzen Tag;
Am Abend legt' er sich gemach.

Der Räuber nimmt auf dem Deck seinen Stand:
So finster ist's, sie sehn kein Land.
Spricht Sir Ralph: "Bald wird es helle sein;
Der Mond geht auf, ihr seht den Schein."

Spricht ein Andrer: "Hörst du der Brandung Ton?
Mich dünkt, wir sind am Ufer schon?" -
"Wo wir find, ich kann es nicht beschwören,
Doch wollt' ich, wir könnten die Glocke hören!"

Sie hören Nichts; hoch geht das Meer;
Sie treiben ohne Wind einher,
Bis mit trümmerndem Stoß aufftößt das Schiff -
"O Gott, es ist das Inchcap-Riff!"

Um Sir Ralph, den Räuber, steht es schlimm;
Er verflucht sich selbst in seinem Grimm;
Die Wellen stürzen herein mit Wuth,
Das Schiff geht unter in der Flut.

Und als er mit dem Tode ringt,
Da hört er ein Tönen, das schrecklich klingt: -
Als würde vom Teufel unter den Wogen
Die Inchcap-Glocke für ihn gezogen.


  Ferdinand Freiligrath . 1810 - 1876






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