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Ferdinand Freiligrath
Gedichte
. 1848
Erscheinung
nach Jean Rebonl
Warum das Grau'n in meine Nächte streuen?
Warum dem Ernst des Sarges dieser Hohn?
Ich ließ den Priester eine Kerze weihen,
Und für dich lesen ließ ich Messen schon.
Ich ließ geschehen, was für deine Ruhe
Vorschreibt der Kirche heilig Ritual;
Ich öffnete dem Armen meine Truhe,
Zu öffnen dir des Himmels goldnen Saal.
Ich klagt' um dich! - O sprich, was kann dich quälen,
Da nie die Lust auf ihrem Pfad mich fand?
In deiner Schreine funkelnden Juwelen
Hat nie gewühlt noch eines Erben Hand.
Noch steht das Haus, dem dich der Tod entrissen,
In düstrer Trauer ernst und schweigend da;
Noch in des Schleiers falt'gen Finsternissen
Trägt Leid der Spiegel, der dich lächeln sah.
Noch floß kein Oel auf deine Lampe wieder;
Noch liegt dein Pfühl, wie jene Nacht er lag;
Noch aufs Getäfel senkt der Staub sich nieder,
Den es bestäuben ließ dein Todestag.
Und sieh', den Zweig auch trug man nicht von hinnen,
Der dich besprengt, o du geliebtes Bild,
Als ins Gewand der Carmeliterinnen
Wir deine Leiche weinend nun gehüllt.
Und doch bei Nacht in meines Vorhangs Falten
Hör' ich ein Rauschen, das mein Schlafen stört;
Ein feuchter Hauch läßt meine Stirn erkalten;
Es ist ein Hauch, wie Gräbern er entfährt.
Ein Arm alsdann mit einer bleichen Kerze
Gießt auf mich aus ein trübe dämmernd Licht;
Ein banges Tönen fällt mir schwer aufs Herze,
Und kalter Schweiß bedeckt mein Angesicht.
Ich seh' dich weinen; meine Pulse stocken;
Auf meine Brust, die du ja nur erfüllst,
Ergießen schwer sich deine düstern Locken -
O, wenn du so kommst, sag' mir, was du willst!
Denn heilig sind mir deiner Gruft Befehle;
Erfüllen gern ja will ich dein Gebot!
Genug ja drückt, o ruhelose Seele,
Das Leben mich - auch ohne deinen Tod!
O, dieses Schreckbild, Wahrheit oder Lüge,
Gib du, o Gott, daß meine Ruh' es flieh'!
Und meiner Träume nachtverhüllte Wiege,
Laß deinen Engel freundlich schaukeln sie!
Ferdinand
Freiligrath . 1810 - 1876
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