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Ferdinand Freiligrath
Gedichte
. 1848
Lieder
nach Robert Burns
1.
Nun holt mir eine Kanne Wein,
Und laßt den Becher sein von Golde;
Denn einen Trunk noch will ich weihn
Vor meinem Abschied dir, o Holde!
Am Damme dorten schwankt das Boot,
Der Fährmann schilt, daß ich verziehe;
Am Baume drüben liegt das Schiff,
Und ich muß lassen dich, Marie!
Das Banner fliegt; in langer Reih'
Sieht glänzen man die blanken Speere;
Von ferne tönt das Kampfgeschrei,
Und schon begegnen sich die Heere. -
'S ist nicht der Sturmwind, nicht die See,
Daß ich am Ufer hier verziehe;
Auch nicht die laute Schlacht - 's ist nur,
Daß ich dich lassen muß, Marie!
2.
Die süße Dirn von Inverneß
Wird nun und nimmer wieder froh;
Ihr einz'ger Gang ist in die Meß,
Sie weint und seufzt, und sagt nur: o!
Drumossie Moor, Drumossie Tag,
O bittrer Tag, o blut'ges Moor!
Wo kalt und starr mein Vater lag,
Wo ich der Brüder drei verlor.
Ihr Lailach ist der blut'ge Klei,
Ihr Grab ist grün vom ersten Kraut,
Der schmuckste Bursche liegt dabei,
Den Mädchenaugen je geschaut.
Nun wehe dir, der du die Schlacht
Gewannst, und sä'test blut'ge Saat!
Manch Herz hast du betrübt gemacht,
Das dir doch nichts zu Leide that.
3.
O, säh' ich auf der Haide dort
Im Sturme dich, im Sturme dich,
Mit meinem Mantel vor dem Sturm
Beschützt' ich dich, beschützt' ich dich!
O, wär' mit seinen Stürmen dir
Das Unglück nah, das Unglück nah,
Dann wär' dies Herz dein Zufluchtsort;
Gern theilt' ich ja, gern theilt' ich ja!
O, wär' ich in der Wüste, die
So braun und dürr, so braun und dürr,
Zum Paradiese würde sie,
Wärst du bei mir, wärst du bei mir!
Und wär' ein König ich, und wär'
Die Erde mein, die Erde mein,
Du wärst an meiner Krone doch
Der schönste Stein, der schönste Stein.
4.
Die finstre Nacht bricht schnell herein,
Der Sturmwind heult; mit Regen dräu'n
Die trüben Wolken; schwärzlich stehn
Sie über diesen nackten Höhn.
Der Jäger wandert heim vom Moor,
Das Rebhuhn duckt sich unters Rohr,
Und ich, das Herz von Sorgen schwer
Geh' einsam hier entlang den Ayr.
Der Herbst beweint sein reifend Korn,
So früh schon von des Winters Zorn
Zerstört; am Abendhimmel sieht
Den Sturm er, wie er murrend flieht.
Kalt wird in meiner Brust das Blut,
Gedenk' ich der bewegten Flut,
Und daß ich ziehn muß über Meer,
Weit, weit von deinen Ufern, Ayr!
'S ist nicht die Brandung, die das Land
Wild zürnend schlägt; nicht dieser Strand,
Mit Trümmern manches Wracks bedeckt;
Der kalte Sturmwind nicht - was schreckt
Den Sohn des Elends? - aber trägt
Mein wundes Herz nicht Fesseln? schlägt
Es krampfhaft nicht, und blutet sehr,
Da es sie bricht, dich meidend, Ayr?
Lebt wohl, ihr Schluchten und ihr Seen,
Ihr haidekrautbewachs'nen Höhn!
Du grünes Thal, du stiller Pfad,
Die meiner Liebe Schmerz ihr saht! -
Freund! - Feind! - lebt wohl! ich segn' euch gleich,
Meine Lieb', mein Friede sei mit euch!
O, dieser Thränensturz sagt mehr,
Als Worte! - Lebe wohl, mein Ayr!
5.
Einen schlimmen Weg ging gestern ich,
Einen Weg, dem ich nicht wieder trau'!
Zwei süße Augen trafen mich,
Zwei süße Augen, lieb und blau.
Nicht war's ihr blond und wallend Haar,
Nicht war's ihr Mund, die Ros' im Thau,
Auch nicht ihre weiße Brust - es war
Ihr süßes Auge, lieb und blau.
Ihr Aug' hat mir das Herz bethört,
Ihr Auge mit der dunkeln Brau;
O, tiefre Wunden, als ein Schwert,
Schlug mir dies Auge, lieb und blau! -
Geduld mein Herz, Geduld, Geduld!
Vielleicht - doch, weh' mir! weis't sie rauh
Mich ab, an meinem Tode Schuld
Ist dann ihr Auge, lieb und blau.
6.
Wenn über'm Berg den Abendstern
Die Melkerin sieht schweben, O!
Wenn aus der Furche schwankt das Roß,
Der Heimath zuzustreben, O!
Am Bache dort, wo thaubenetzt
Duftreiche Birken beben, O!
Da treff' ich dich am Hügel,
Mein Lieb, mein Leben, O!
In dunkler Schlucht, um Mitternacht,
Hinzög' ich ohne Beben, O!
Umarmt' ich dich am Ziele nur,
Mein Lieb, mein Leben, O!
Und wär' die Nacht auch noch so wild,
Doch würd' ich vorwärts streben, O!
Doch träf' ich dich am Hügel,
Mein Lieb, mein Leben, O!
Der Jäger liebt die Morgenzeit,
Der Jagd sich zu ergeben, O!
Der Fischer wählt den Mittag gern,
Sein maschig Netz zu weben, O!
Mir kann die graue Dämmrung nur
Das Herze freudig heben, O!
Dann treff' ich dich am Hügel,
Mein Lieb, mein Leben, O!
7.
Nun kommt der Herbst, nun kommt die Jagd,
Nun kommt des Waidwerks Freude;
Die Taube girrt, das Birkhuhn schwirrt,
Und röthlich prangt die Haide.
Nun strahlt die Flur von Garben nur,
Die letzten Früchte reifen;
Ich aber will im Felde still
Mit der Geliebten schweifen.
Das Rebhuhn folgt des Pflügers Bahn
Der Kibitz liebt den Weiher;
Die Waldschlucht lockt den Auerhahn,
Die Wolke lockt den Reiher.
Im Holze gern, von Menschen fern,
Austönt der Turtel Klagen;
Zur Hasel flieht des Hänflings Lied,
Und flieht der Drossel Schlagen.
Nach Neigung so lebt jedes froh,
Und schafft sich sein Vergnügen;
Sie ziehn allein, sie ziehn zu zwei'n,
Sie ziehn einher in Zügen.
Du flücht'ge Brut, nun färbt dein Blut
Der Eiche dunkle Blätter;
Dein Flügel sinkt, dein Schrei verklingt
In Schuß und Horngeschmetter.
Doch Mädchen, komm! Der West verglomm!
Vorüber huscht die Schwalbe.
Der Himmel blau, die Flur im Thau!
O sieh', wie glüht die falbe!
O komm, durchs Feld! - sieh' ruhn die Welt,
Die glückliche, die stille!
Und dort durchs Korn, o sieh' den Dorn
In seiner Scharlachfülle!
Ein süß Gespräch verkürzt den Weg;
Und strahlt des Mondes Schimmer,
Dann fass' ich dich, dann küss' ich dich,
Dann sag' ich: Dein auf immer!
Kein Garbenjahr, kein Herbst fürwahr
Lohnt so des Landmanns Streben,
Als mich zur Stund dein süßer Mund,
Mein Herz, mein einzig Leben!
8.
Mein Lieb ist eine rothe Ros',
Die frisch am Stocke glüht;
Eine rothe, rothe Ros'! mein Lieb
Ist wie ein Süßes Lied!
Mein Lieb, so schmuck und schön du bist,
So sehr auch lieb' ich dich,
Bis daß die See verlaufen ist,
Süße Dirne, lieb' ich dich!
Bis daß die See verlaufen ist,
Und der Fels zerschmitzt, mein Kind,
Und stets, mein Lieb, so lang mein Blut
In meinen Adern rinnt!
Leb' wohl, leb' wohl, mein einzig Lieb!
Leb' wohl auf kurze Zeit!
Leb' wohl! ich kehr', und wär' ich auch
Zehntausend Meilen weit!
9.
Mein Herz ist schwer, Gott sei's geklagt!
Mein Herz ist schwer für Einen;
O Gott, eine lange Winternacht
Könnt' wachen ich für Einen.
O Leid, für Einen!
O Freud, für Einen!
Die ganze Welt könnt' ich durchziehn
Für Einen!
Ihr Mächte, reiner Liebe hold,
O, lächelt mild auf Einen!
Schützt vor Gefahr ihn, bringt gesund
Zurück mir meinen Einen!
O Leid, für Einen!
O Freud, für Einen!
Ich thät - o Gott, was thät ich nicht
Für Einen?
10.
John Anderson, mein Lieb, John,
Als ich zuerst dich sah,
Wie dunkel war dein Haar, und
Wie glatt dein Antlitz da!
Doch jetzt ist kahl dein Haupt, John,
Schneeweiß dein Haar, und trüb
Dein Aug'; doch Heil und Segen dir,
John Anderson, mein Lieb!
John Anderson, mein Lieb, John,
Bergauf stiegst du mit mir;
Und manchen lust'gen Tag, John,
Zusammen hatten wir.
Nun geht's den Berg hinab, John,
Doch Hand in Hand! komm, gib
Sie mir! in einem Grab ruhn wir,
John Anderson, mein Lieb!
11.
Mein Herz ist im Hochland, mein Herz ist nicht hier!
Mein Herz ist im Hochland, im wald'gen Revier!
Da jag' ich das Rothwild, da folg' ich dem Reh,
Mein Herz ist im Hochland, wo immer ich geh'.
Mein Norden, mein Hochland, lebt wohl, ich muß ziehn!
Du Wiege von Allem, was stark und was kühn!
Doch, wo ich auch wandre und wo ich auch bin,
Nach den Hügeln des Hochlands steht allzeit mein Sinn!
Lebt wohl, ihr Gebirge mit Häuptern voll Schnee,
Ihr Schluchten, ihr Thäler, du schäumender See,
Ihr Wälder, ihr Klippen, so grau und bemoos't,
Ihr Ströme, die zornig durch Felsen ihr tos't!
Mein Herz ist im Hochland, mein Herz ist nicht hier!
Mein Herz ist im Hochland, im wald'gen Revier!
Da jag' ich das Rothwild, da folg' ich dem Reh,
Mein Herz ist im Hochland, wo immer ich geh'!
12.
O, wär' mein Lieb die rothe Ros',
Die auf des Schlosses Mauer glüht!
O, wär' ich selbst der Tropfen Thau,
Den man im Kelch der Rose sieht!
An ihrer Brust die ganze Nacht
Läg' ich, und schwelgt' in trunkner Lust;
Bis Morgens, wo der Tag erwacht,
Läg' ich an ihrer süßen Brust.
O, wär' mein Lieb ein Holderstrauch,
Wie der, voll Blumen jeder Ast!
O, wär' ich selbst ein Vögelein!
Auf seinen Zweigen hielt' ich Rast.
Wie wollt' ich trauern, säh ich ihn
Entblättern des Novembers Wehn;
Wie singen, sähe blüh'nd und grün
Ich wieder ihn im Lenze stehn!
13.
Nun, wer klopft an meine Thür? -
Ich, mein Schatz! sprach Findlay. -
Geh' nach Haus! was treibst du hier? -
Gutes nur! sprach Findlay. -
Wie ein Räuber schleichst du doch! -
Raub' auch gern! sprach Findlay. -
Treibst vor Morgen Unfug noch; -
Allerdings! sprach Findlay.
Ständ' ich auf, und ließ dich ein, -
Laß mich ein! sprach Findlay. -
Schlief ich wohl nicht wieder ein! -
Kann wohl sein, sprach Findlay. -
Wärst du bei mir im Gemach, -
Wär' ich's erst! sprach Findlay, -
Gingest du wohl nicht vor Tag; -
Freilich nicht, sprach Findlay.
Aber nimm, bleibst du die Nacht. -
Ja, ich bleib! sprach Findlay; -
Auf dem Heimweg dich in Acht! -
Fürchte nichts! sprach Findlay. -
Aber, was im Kämmerlein, -
Auch geschieht, sprach Findlay; -
Halt's geheim, verschweig' es fein! -
Ganz gewiß! sprach Findlay.
Ferdinand
Freiligrath . 1810 - 1876
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