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Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte
. 1825
Dilettant und Kritiker
Es hatt' ein Knab' eine Taube zart,
Gar schön von Farben und bunt,
Gar herrlich lieb, nach Knaben-Art,
Geätzet aus seinem Mund,
Und hatte so Freud' am Täubchen fein,
Daß er nicht konnte sich freuen allein.
Da lebte nicht weit ein Alt-Fuchs herum,
Erfahren und lehrreich und schwätzig darum;
Der hatte den Knaben manch Stündlein ergötzt,
Mit Wundern und Lügen verprahlt und verschwätzt.
"Muß meinem Fuchs doch mein Täublein zeigen!"
Er lief und fand ihn stecken in Sträuchen.
"Sieh, Fuchs, mein lieb Täublein, mein Täubchen so schön!
Hast du dein Tag so ein Täubchen gesehn?"
Zeig her! - Der Knabe reicht's. - Geht wohl an;
Aber es fehlt noch Manches dran.
Die Federn zum Exempel, sind zu kurz gerathen. -
Da fing er an, rupft' sich den Braten.
Der Knabe schrie. - Du mußt stärkre einsetzen,
Sonst ziert's nicht, schwinget nicht. -
Da war's nackt - Mißgeburt! - und in Fetzen.
Dem Knaben das Herze bricht.
Wer sich erkennt im Knaben gut,
Der sey vor Füchsen auf seiner Hut.
Johann
Wolfgang von Goethe . 1749 - 1832
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