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Gedichte
162 Bücher



Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte . 1825



Gott, Gemüth und Welt

In wenig Stunden
Hat Gott das Rechte gefunden.


Wer Gott vertraut,
Ist schon auferbaut.


Sogar dies Wort hat nicht gelogen:
Wen Gott betrügt, der ist wohl betrogen.


Das Unser Vater ein schön Gebet,
Es dient und hilft in allen Nöthen.
Wenn einer auch Vater Unser fleht,
In Gottes Namen, laß ihn beten.


Ich wandle auf weiter, bunter Flur,
Ursprünglicher Natur,
Ein holder Born, in welchem ich bade,
Ist Ueberlieferung, ist Gnade.


Was wär' ein Gott, der nie von außen stieße,
Im Kreis das All am Finger laufen ließe!
Ihm ziemts, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
So daß was in Ihm lebt und webt und ist,
Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermißt.


Im Innern ist ein Universum auch;
Daher der Völker löblicher Gebrauch,
Daß jeglicher das Beste, was er kennt,
Er Gott, ja seinen Gott benennt,
Ihm Himmel und Erden übergibt,
Ihn fürchtet, und wo möglich liebt.


Wie? Wann? und Wo? - Die Götter bleiben stumm!
Du halte dich an's Weil, und frage nicht Warum?


Willst du in's Unendliche schreiten,
Geh nur im Endlichen nach allen Seiten.


Willst du dich am Ganzen erquicken;
So mußt du das Ganze im Kleinsten erblicken.


Aus tiefem Gemüth, aus der Mutter Schooß
Will Manches dem Tage entgegen;
Doch soll das Kleine je werden groß,
So muß es sich rühren und regen.


Da, wo das Wasser sich entzweit,
Wird zuerst Lebendig's befreit.


Und wird das Wasser sich entfalten,
Sogleich wird sich's lebendig gestalten;
Da wälzen sich Thiere, sie trocknen zum Flor,
Und Pflanzen-Gezweige sie dringen hervor.


Durchsichtig erscheint die Luft so rein
Und trägt im Busen Stahl und Stein.
Entzündet werden sie sich begegnen;
Da wird's Metall und Steine regnen.


Denn was das Feuer lebendig erfaßt,
Bleibt nicht mehr Unform und Erdenlast.
Verflüchtigt wird es und unsichtbar,
Eilt hinauf, wo erst sein Anfang war.


Und so kommt wieder zur Erde herab,
Dem die Erde den Ursprung gab.
Gleicherweise sind wir auch gezüchtigt,
Einmal gefestet, einmal verflüchtigt.


Und wer durch alle die Elemente
Feuer, Luft, Wasser und Erde rennte,
Der wird zuletzt sich überzeugen,
Er sey kein Wesen ihres Gleichen.


"Was will die Nadel nach Norden gekehrt;"
Sich selbst zu finden, es ist ihr verwehrt.


Die endliche Ruhe wird nur verspürt,
Sobald der Pol den Pol berührt.


Drum danket Gott, ihr Söhne der Zeit,
Daß er die Pole für ewig entzweit.


Magnetes Geheimniß, erkläre mir das!
Kein größer Geheimniß, als Lieb' und Haß.


Wirst du deines Gleichen kennen lernen,
So wirst du dich gleich wieder entfernen.


Warum tanzen Bübchen mit Mädchen so gern?
Ungleich dem Gleichen bleibet nicht fern.


Dagegen die Bauern in der Schenke
Prügeln sich gleich mit den Beinen der Bänke.


Der Amtmann schnell das Uebel stillt,
Weil er nicht für ihres Gleichen gilt.


Soll dein Compaß dich richtig leiten,
Hüte dich vor Magnetstein', die dich begleiten.


Verdoppelte sich der Sterne Schein,
Das All wird ewig finster seyn.


"Und was sich zwischen beide stellt?"
Dein Auge, so wie die Körperwelt.


An der Finsterniß zusammengeschrunden,
Wird dein Auge vom Licht entbunden.


Schwarz und Weiß, eine Todtenschau,
Vermischt ein niederträchtig Grau.


Will Licht einem Körper sich vermählen,
Es wird den ganz durchsichtgen wählen.


Du aber halte dich mit Liebe
An das Durchscheinende, das Trübe.


Denn steht das Trübste vor der Sonne,
Da siehst die herrlichste Purpur-Wonne.


Und will das Licht sich dem Trübsten entwinden,
So wird es glühend Roth entzünden.


Und wie das Trübe verdunstet und weicht,
Das Rothe zum hellsten Gelb erbleicht.


Ist endlich der Aether rein und klar,
Ist das Licht weiß, wie es anfangs war.


Steht vor dem Finstern milchig Grau,
Die Sonne bescheints, da wird es Blau.


Auf Bergen, in der reinsten Höhe,
Tief Röthlichblau ist Himmelsnähe.


Du staunest über die Königspracht,
Und gleich ist sammetschwarz die Nacht.


Und so bleibt auch, in ew'gem Frieden,
Die Finsterniß vom Licht geschieden.


Daß sie mit einander streiten können,
Das ist eine baare Thorheit zu nennen.


Sie streiten mit der Körperwelt,
Die sie ewig auseinander hält.


  Johann Wolfgang von Goethe . 1749 - 1832






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