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Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte
. 1825
Lebendiges Andenken
Der Liebsten Band und Schleife rauben,
Halb mag sie zürnen, halb erlauben,
Euch ist es viel, ich will es glauben
Und gönn' euch solchen Selbstbetrug:
Ein Schleier, Halstuch, Strumpfband, Ringe
Sind wahrlich keine kleine Dinge;
Allein mir sind sie nicht genug.
Lebend'gen Theil von ihrem Leben,
Ihn hat, nach leisem Widerstreben,
Die Allerliebste mir gegeben,
Und jene Herrlichkeit wird nichts.
Wie lach' ich all der Trödelwaare!
Sie schenkte mir die schönen Haare,
Den Schmuck des schönsten Angesichts.
Soll ich dich gleich, Geliebte, missen;
Wirst Du mir doch nicht ganz entrissen:
Zu schaun, zu tadeln und zu küssen
Bleibt die Reliquie von Dir. -
Gleich ist des Haars und mein Geschicke;
Sonst buhlten wir mit Einem Glücke
Um sie, jetzt sind wir fern von ihr.
Fest waren wir an sie gehangen;
Wir streichelten die runden Wangen,
Uns lockt' und zog ein süß Verlangen,
Wir gleiteten zur vollern Brust.
O Nebenbuhler, frei von Neide,
Du süß Geschenk, du schöne Beute,
Erinnre mich an Glück und Lust!
Johann
Wolfgang von Goethe . 1749 - 1832
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