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Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte
. 1825
Offne Tafel
Viele Gäste wünsch' ich heut
Mir zu meinem Tische!
Speisen sind genug bereit,
Vögel, Wild und Fische.
Eingeladen sind sie ja,
Haben's angenommen.
Hänschen, geh' und sieh' dich um!
Sieh' mir, ob sie kommen!
Schöne Kinder hoff' ich nun,
Die von gar nichts wissen,
Nicht, daß es was hübsches sey,
Einen Freund zu küssen.
Eingeladen sind sie all,
Haben's angenommen.
Hänschen geh' und sieh' dich um!
Sieh' mir, ob sie kommen!
Frauen denk' ich auch zu sehn,
Die den Ehegatten,
Ward er immer brummiger,
Immer lieber hatten.
Eingeladen wurden sie,
Haben's angenommen.
Hänschen geh' und sieh' dich um!
Sieh' mir, ob sie kommen!
Junge Herrn berief ich auch,
Nicht im mindsten eitel,
Die sogar bescheiden sind
Mit gefülltem Beutel;
Diese bat ich sonderlich,
Haben's angenommen.
Hänschen, geh' und sieh' dich um!
Sieh' mir, ob sie kommen!
Männer lud ich mit Respekt,
Die auf ihre Frauen
Ganz allein, nicht neben aus
Auf die schönste schauen.
Sie erwiederten den Gruß,
Haben's angenommen.
Hänschen, geh' und sieh' dich um,
Sieh' mir, ob sie kommen!
Dichter lud ich auch herbei,
Unsre Lust zu mehren,
Die weit lieber ein fremdes Lied
Als ihr eignes hören.
Alle diese stimmten ein,
Haben's angenommen.
Hänschen, geh' und sieh' dich um!
Sieh' mir, ob sie kommen!
Doch ich sehe Niemand gehn,
Sehe Niemand kommen!
Suppe kocht und siedet ein,
Braten will verbrennen.
Ach, wir haben's, fürcht' ich nun,
Zu genau genommen!
Hänschen, sag' was meinst du wohl!
Es wird Niemand kommen.
Hänschen lauf' und säume nicht,
Ruf mir neue Gäste!
Jeder komme, wie er ist,
Das ist wohl das Beste!
Schon ist's in der Stadt bekannt,
Wohl ist's aufgenommen.
Hänschen, mach' die Thüren auf:
Sieh' nur, wie sie kommen!
Johann
Wolfgang von Goethe . 1749 - 1832
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