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Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte
. 1825
Wanderers Sturmlied
Wen
du nicht verlässest, Genius,
Nicht der Regen, nicht der Sturm
Haucht ihm Schauer übers Herz.
Wen du nicht verlässest, Genius,
Wird dem Regengewölk,
Wird dem Schloßensturm
Entgegen singen,
Wie die Lerche,
Du da droben.
Den du nicht verlässest, Genius,
Wirst ihn heben über'n Schlammpfad
Mit den Feuerflügeln;
Wandeln wird er,
Wie mit Blumenfüßen,
Ueber Deukalions Fluthschlamm,
Python tödtend, leicht, groß,
Pythius Apollo.
Den du nicht verlässest, Genius,
Wirst die wollnen Flügel unterspreiten,
Wenn er auf dem Felsen schläft,
Wirst mit Hüterfittigen ihn decken
In des Haines Mitternacht.
Wen du nicht verlässest, Genius,
Wirst im Schneegestöber
Wärmumhüllen;
Nach der Wärme ziehn sich Musen,
Nach der Wärme Charitinnen.
Umschwebet mich, ihr Musen!
Ihr Charitinnen!
Das ist Wasser, das ist Erde
Und der Sohn des Wassers und der Erde.
Ueber den ich wandle
Göttergleich.
Ihr seyd rein, wie das Herz der Wasser,
Ihr seyd rein, wie das Mark der Erde,
Ihr umschwebt mich und ich schwebe,
Ueber Wasser, über Erde,
Göttergleich.
Soll der zurückkehren
Der kleine, schwarze, feurige Bauer?
Soll der zurückkehren, erwartend
Nur deine Gaben, Vater Bromius,
Und hellleuchtend umwärmend Feuer?
Der kehren muthig?
Und ich, den ihr begleitet,
Musen und Charitinnen alle,
Den alles erwartet, was ihr,
Musen und Charitinnen,
Umkränzende Seligkeit
Rings um's Leben verherrlicht habt,
Soll muthlos kehren?
Vater Bromius!
Du bist Genius,
Jahrhunderts Genius,
Bist, was innre Glut
Pindarn war,
Was der Welt
Phöbus Apoll ist.
Weh! Weh! Innre Wärme,
Seelenwärme,
Mittelpunkt!
Glüh' entgegen
Phöb'- Apollen;
Kalt wird sonst
Sein Fürstenblick
Ueber dich vorübergleiten,
Neidgetroffen
Auf der Ceder Kraft verweilen,
Die zu grünen
Sein nicht harrt.
Warum nennt mein Lied dich zuletzt?
Dich, von dem es begann,
Dich, in dem es endet,
Dich, aus dem es quillt,
Jupiter Pluvius!
Dich, dich strömt mein Lied,
Und kastalischer Quell
Rinnt ein Nebenbach,
Rinnet musigen
Sterblich glücklichen
Abseits von dir,
Der du mich fassend deckst,
Jupiter Pluvius!
Nicht am Ulmenbaum
Hast du ihn besucht,
Mit dem Taubenpaar
In dem zärtlichen Arm,
Mit der freundlichen Ros' umkränzt,
Tändelnden ihn, blumenglücklichen
Anakreon,
Sturmathmende Gottheit!
Nicht im Pappelwald,
An des Sibaris Strand,
An des Gebirgs
Sonnebeglänzter Stirn nicht
Faßtest du ihn,
Den Blumen-singenden
Honig-lallenden
Freundlich winkenden
Theokrit.
Wenn die Räder rasselten
Rad an Rad rasch um's Ziel weg,
Hoch flog
Siegdurchglühter
Jünglings Peitschenknall,
Und sich Staub wälzt'
Wie vom Gebirg' herab
Kieselwetter ins Thal;
Glühte deine Seel' Gefahren, Pindar!
Muth.- Glühte? -
Armes Herz!
Dort auf dem Hügel,
Himmlische Macht!
Nur so viel Glut,
Dort meine Hütte,
Dorthin zu waten!
Johann
Wolfgang von Goethe . 1749 - 1832
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