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Franz Grillparzer
Gedichte . 1872



9. Trennung

So laß uns scheiden denn, thut's Noth, zu scheiden,
Allein als Freunde, ohne Groll und Haß,
Ein unerklärtes Etwas zwischen Beiden
Stört den Erguß und hemmt ohn' Unterlaß.

Ob ich dieß Etwas, ewig störend, kenne?
O gebe Gott, daß ich es nicht erkannt!
Denn ist es, was ich denk', obgleich nicht nenne,
So bist du Weib, in einer furchtbarn Hand.

In einer Hand, die einmal schon die Klauen
Nach deiner Jugend Blüthen ausgestreckt,
Und die, zum zweitenmal genaht in Grauen,
Ihr Opfer hält, bis es die Erde deckt.

Doch ob es ist? Ich weiß nicht, mag's nicht wissen
Und so, beim Scheiden, das, wie schwer, verletzt,
Nimm das Geständniß, mir zuletzt entrissen:
Nie kannt' ich dich, noch kenn' ich selbst dich jetzt.

Ein Räthsel warst du mir, wie man beim Spiele,
Den Nachbar neckend, wohl zusammenflicht,
Jetzt los' und leicht, leichtfertig selbst, wie Viele,
Drauf wieder ernst und streng, wie Viele nicht.

Bald sah' ich Hohn durch deine Züge schweifen,
Drauf sie verklärt von warmer Thränen Hauch,
Nun mühsam dich das Leicht'ste nicht begreifen,
Dann selbst das Tiefste wieder fassen auch.

Was offen mir auch stand, dein inn'res Wesen,
Es blieb verschlossen mir bis diesen Tag,
Und so geb' ich, ein Räthsel noch zu lösen,
Dem Weisern dich, der's lösen darf und mag.

War mir's vergönnt, in ungestörter Fülle
Dir nah zu sein, vielleicht that es sich auf,
Doch war's, ob unser, nicht des Schicksals Wille,
So habe denn, was Noth thut, seinen Lauf.

Du bist nun frei, und doch nicht ungebunden,
Denn Eines ist, was immer dich entläßt:
Erinnerung der letztverflossnen Stunden,
Und halt' sie immer nur im Herzen fest!

Denn wie du jetzt bemühst dich, halb vergebens,
Zu malen dir dieß Band als schwere Last,
Es bleibt denn doch die Krone deines Lebens,
Für alle Zeit das Beste, was du hast.

Du wirst dein Herz zu Dem, zu Jenem neigen,
Doch wie er fühlt und was er sich vermißt,
Wird er dir doch zuletzt den Abstand zeigen,
Der zwischen ihm und mir befestigt ist.

Und immer wird's dich wieder übereilen,
So oft Zerstreuung der Besinnung weicht,
Wenn man mich nennt, bei jeder meiner Zeilen,
Denkst du: er war's! Verlor ich ihn so leicht?

Und sollt' es einst dir ganz vergessen scheinen,
Dann ist's das Zeichen einer furchtbarn Zeit;
Du bist umstellt von Niedern und Gemeinen,
Dann hat es dich, dann bist du ihm geweiht.

Und selber dann noch, suchend, spät im Schranke,
Halb achtlos, müßig, fändest du dieß Blatt,
Und plötzlich stünd' er vor dir, der Gedanke
An das, was war und ist an seiner Statt.

Weit ob dem Zwischenraum der dunkeln Jahre,
Trüg' es dich hin ins früh're Blumenreich,
Die Hand gedrückt in deine schönen Haare,
Ständ'st du ein Marmorbild, erstarrend, bleich.

Und wie aus Wolken, lauten Stürmen weichend,
Der Mond hervortritt in verklärter Pracht,
So käme blaß dein Bild, nun nicht mehr gleichend,
Entgegen dir aus des Vergangnen Nacht.

Der stille Reiz der unschuldsvollen Züge,
Die klare Stirn, von keiner Schuld gedrückt,
Der Mund, noch wahr bei halbbewußter Lüge,
Das Aug' ein Adler, der zur Sonne blickt.

Und weinend - doch wozu uns jetzt erweichen?
Der Augenblick scheint viel, die Zukunft hohl,
Laß uns die Hand zum letzten Abschied reichen,
Und so für alle Zukunft, lebe wohl.


  Franz Grillparzer . 1791 - 1872






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