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Franz Grillparzer
Gedichte
. 1872
An eine gewisse Ungewisse
1.
Wenn man dich Engel nennt,
Will's so der Brauch,
Daß du's an Schönheit bist,
Seh' ich wohl auch;
Magst's auch an Güte sein,
Gib und gewähr'!
Nur nicht an Heiligkeit,
Bitt' ich gar sehr.
2.
Siehst du der Saaten
Wallenden Streif?
Blond sind die Aehren
Und sie sind reif;
Blond wie dein Häuptchen -
's ist an der Zeit,
Schon hält der Schnitter
Die Waffe bereit.
3.
Daß dein Kleid rosenroth,
Find' ich recht fein,
Kann's, wo der Gürtel schließt,
Anders auch sein?
Denn wo im Lenz ich sah
Knöspchen am Rain,
Gaben sie ähnlichen
Blaßrothen Schein.
4.
Im Schatten deiner Wimpern
Blühn zwei Vergißmeinnicht,
Der überflüss'gen Lehre
Die so ein Blümchen spricht!
Wie könnte dich vergessen,
Wem je gestrahlt dein Licht?
Und doch, laß sie nur sprechen,
Vergiß du selber nicht.
5.
Weil du Liebe schon gekannt,
Gefühlt schon ihren Kuß,
Wer tadelt dich in seinem Wahn
Und darbet weil er muß?
Ein jeder treibt wozu er ward,
So will's ein ew'ger Schluß,
Hephästen steht die Arbeit wohl,
Cytheren der Genuß.
Franz
Grillparzer . 1791 - 1872
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