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Franz Grillparzer
Gedichte
. 1872
Der Genesene
Jetzt, da ich's bestanden habe,
Leuchtet mir's erst deutlich ein;
Krankheit du bist Gottes Gabe!
Er soll drum gepriesen sein!
Ob der Mensch dich schwer bekämpfe;
Doch im Ringen allzumal
Lösen sich der Seele Krämpfe,
Innrer Schmerz in äußrer Qual.
Besserst an der Menschheit Bilde,
Scharfe Züge mäßigst du,
War sonst rauh, jetzt bin ich milde,
Unstät sonst, und jetzt in Ruh.
Auch die Andern, die da kamen,
Waren alle gut und weich,
Weil sie mich als Gleichen nahmen;
Gleiches Leiden macht ja gleich.
Ob man sonst nach Fernem jage,
Setzest du ein näher Ziel,
Machst den Tag zum Ziel dem Tage,
Eine ruh'ge Nacht scheint viel.
Und der Wunsch übt in Beschwerden
Ans Gebiß den stolzen Mund;
Frage nicht: was soll nun werden?
Bin ich jetzo doch gesund.
Das Gemüth, verstockt, verquollen,
Von so Manchem, das es trug,
Oeffnet sich wie Ackersschollen,
Aufgelockert durch den Pflug;
Und als ob der Lenz erwache
All mit seiner Freuden Chor,
Treibt es nach der langen Brache
Grüne Spitzen neu hervor.
Wie ist all mein Inn'res offen!
Wie verdoppelt jeder Sinn!
Nachbild hat das Bild getroffen,
Jeder Augenblick Gewinn!
Was ich lese, seh' ich stehen;
Was ich höre, wird ein Bild,
Was ich spreche, wird geschehen;
Was ich wünsche, wird erfüllt.
Mit der Welt im tiefen Frieden,
Und in Frieden auch mit mir,
Dank' ich dem, der mir's beschieden,
Sich geoffenbaret hier.
Und erquickt von all' der Labe,
Ruf' ich froh im Sonnenschein:
Krankheit auch ist Gottes Gabe,
Er soll drum gepriesen sein!
Franz
Grillparzer . 1791 - 1872
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