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Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Franz Grillparzer
Gedichte . 1872



Sinngedichte und Epigramme

(Biographisch.)


Am fünfzehnten Jänner geboren,
Gestorben? - ich weiß noch nicht, wann?
Kömmt einst dir das Datum zu Ohren,
So füg's zur Ergänzung hier an.

Und hast du es niedergeschrieben,
So hast du mich ganz, auf ein Haar;
Was etwa noch übrig geblieben,
Wird wohl nach dem Tode erst wahr.


Gescheidt gedacht und dumm gehandelt,
So bin ich mein Tage durchs Leben gewandelt.



Selbstbekenntniß.

Du nennst mich Dichter? Ich bin es nicht,
Ein Andrer sitzt, ich fühl's, und schreibt mein Leben,
Und soll die Poesie den Namen geben,
Statt Dichter, fühl' ich höchstens mich Gedicht.



Ich führe den Pflug in dem leeren Feld,
Da wird denn nach mir die Scholle bestellt,
Von Manchem, der besser und klüger;
Doch wie sie auch reich die Ernte bringt,
Denkt, wenn schon wartend die Eichel klingt,
An den heimgegangenen Pflüger.



Glaubt ihr, man könne kosten vom Gemeinen,
Man muß es hassen, oder ihm sich einen.
Und tränkst du heute Götterwein,
- Jüngst noch Genosse schmutz'ger Zecher -
Du schenkst ihn auf die Hefen ein,
Die dir dein Gestern ließ im Becher.



Gott sagte: nein,
Ich aber sagte: ja;
Doch als ich es ins Werk gesetzt,
Stand nur ein Nein mir da.



Will unsre Zeit mich bestreiten,
Ich laß es ruhig geschehn,
Ich komme aus andern Zeiten,
Und hoffe in andre zu gehn.



Was hängt ihr euch an mich und meinen Lauf,
Und strebt dem Höhern plumpen Dranges wider?
Ich zieh' euch, merk' ich, nicht zu mir herauf,
Doch ihr, weiß Gott, mich auch zu euch nicht nieder.



Der Hofkammer.

Nebenbuhler mir zu wecken,
Zählt ihr Dienst und Jahre auf?
Esel schätzt man nach den Säcken,
Aber Renner nach dem Lauf.



Kritik.

Von unsern Kunstrichtern, die bestgenannten,
Sind gegen mich gar strenge Richter;
Sie protestiren eben als Protestanten,
Und ich - bin ein katholischer Dichter.



"Warum gibst deine Werke du endlich nicht heraus?" -
Mein Freund, bei schlechtem Wetter hält man sich gern zu Haus.



Verständlichkeit.

Gar sehr verschieden ist des Lesers Recht,
Nimmt Verse er verschiedner Art zu Handen.
Versteht er deine nicht, so sind die Verse schlecht,
Wenn meine - nun! hat er sie nicht verstanden.



Rasch wie der Knabe dem Schmetterling folgt, so jag' ich Gedanken,
Aber geflügelt und frei, fliehn sie das klammernde Netz.



War ich als Dichter gleich geboren,
So kam's doch nie zur echten Klärung;
Im Anfang war's nicht ausgegoren,
Dann ging's gleich in die faule Gährung.



An B.
(Anno 1811.)

Ich schriebe Verse gegen dich,
So sprichst du, ärmster der Poeten,
Das hieße, Gott behüte mich,
Mit goldnen Kugeln Spatzen tödten.



Einem Kritiker.

1.
Wähnst du denn ungestraft mich zu schlagen, zorniger Streiter,
Mit dem gewaffneten Fuß? Bin doch nicht krank und nicht alt.

2.
Eigne Gedanken sprichst du mir ab? Auch sind es nicht eigne:
In der Weihe Moment gab sie die Muse mir ein.

3.
Eins die Göttin noch sprach, als sie den Bann mir verhängte,
Den euch erzählt' mein Gedicht, Eins, das zuvor ich vergaß.
Mühe, sprach sie, dich ab, und erzögst du Rosen und Nelken,
Fresse gehörntes Vieh dumpf deine Blumen als Gras.

4.
Schmäht so viel euch beliebt, ihr laut recensirenden Zungen,
Ueber den Reichen zu Pferd, schimpft ja das Volk, das zu Fuß.

5.
Auf! erneue den Streit! So oft du schwingest den Knittel.
Send' ich aus sicherer Höh' goldene Pfeile herab.



Einem Tensor.

1.
Belle, belle nur zu! So sehr du, Köter, auch bellest,
Kriegst du den Mond nicht herab, kommst du zu ihm nicht hinauf.

2.
Daß du, Freund, nicht schreiben kannst,
Wissen wir gesammt;
Aber lesen lerne doch,
Das gehört zum Amt.

3.
Macht Poesie dich gar so wild,
War's immer so der Brauch;
Sie ist nicht bloß ein Spiegelbild,
Sie ist ein Spiegel auch.

4.
Wälz' immer dich in Schlamm und Koth,
Und spritze, spritz' nur zu:
Wer weiß? du liebst mich endlich noch,
Bin ich beschmutzt wie du.

5.
Nicht fordr' ich, daß du gut mir heißt,
Was du so eifrig schmähst,
Nur daß du's zu dem Vielen reihst,
Wovon du nichts verstehst.

6.
Du nennst mich klein? Ich glaub' es wohl,
Das Auge täuscht oft widrig.
Die Optik macht das Alles klar,
Mein Freund, du stehst zu niedrig!



Gespräch.

"Wie lang ist Ihre Muse stumm geblieben!"
Die Launen der Frauen muß man ertragen.
"Warum haben Sie mir so lang' nicht geschrieben?"
Ich hatte Ihnen eben nichts zu sagen.



Deutsche Muster.

Ich sollte von euch lernen?
Da bin ich weit entfernt;
Geh' lieber zu den Fernen,
Von denen ihr gelernt.



Der Zeit Gedanken, unverzagt,
Rennt nach, ihr luft'gen Schreiber,
Ich geh' als Jäger auf die Jagd,
Und dicht, wie ihr, als Treiber.



Fortschritt.

Nur weiter geht euer tolles Treiben,
Von vorwärts! vorwärts! erschallt das Land,
Ich möchte, wär's möglich, stehen bleiben,
Wo Schiller und Goethe stand.



Lohn und Verdienst vermählt sich nie,
Die Welt bleibt ewig unverwandelt;
Wär' so gewiß ich doch nur ein Genie,
Als man mich als Genie behandelt.



Du mit dem starren Auge der Meduse,
Hartnäckigkeit! du finster schau'nde Magd;
Begeist're du mich denn, sei meine Muse,
Da alles Andre mir den Dienst versagt.



Ich fühle wohl meine Sünden,
Die alten, wohl gar auch neue;
Doch wenn ich die Wahrheit gestehen soll,
So fehlt mir die rechte Reue.


Die ew'ge Macht gibt nicht so viel,
Auf daß sie wieder nimmt;
Ich bin noch dasselbe Saitenspiel,
Allein zur Zeit verstimmt.



Einem Bureaukraten,
der mich mit seinem Beispiel zur Geduld ermahnte.

Geduldig waren Sie in Aussicht künft'ger Ehren?
Dagegen fällt mir gar kein Zweifel ein;
Wenn Sie nicht jung ein Lamm gewesen wären,
Wie könnten Sie ein Schöps im Alter sein?



Beruhigung.

Weil dein Betragen mich verdroß,
Räthst du auf Eifersucht? - Ei, schwerlich!
's ist weder, Kind, mein Eifer groß,
Noch meine Sucht gefährlich.



An das Publikum.

So habt ihr mich vergessen?
O könnte euch ich's auch;
Doch euren Qualm von Albernheit,
Athem' ich in jedem Hauch.



"So ist dir erloschen der Musen Gunst,
Erlahmt dein ganzes Streben?"
Mein Freund, ich treibe die schwere Kunst,
In diesen Zeiten zu leben.



Mein Wissen ist gegen das eure ein Kind,
Fern sei, daß ich es leugne,
Nur daß eure Gedanken fremde sind,
Die meinen aber eigne.



Gar Viele sind meinem Gedichte geneigt;
Nur daß, wie es geht beim Lesen,
Ich bloß diejenigen überzeugt,
Die früher bereits es gewesen.



(1848.)

Als liberal, einst der Verfolgung Ziel,
Jetzt nennt der Freiheitstaumel mich servil,
Nicht hier, noch dort, in den Extremen zünftig,
Ich glaube fast, ich bin vernünftig.



Die Knechtschaft hat meine Jugend zerstört,
Des Geistesdrucks Erhalter,
Nun kommt die Freiheit sinnbethört,
Und raubt mir noch mein Alter.



Nicht, als wär' gar so hoch mein Sinn,
Ist's was uns trennt unendlich;
Vielmehr nur, daß ich ehrlich bin,
Macht mich euch unverständlich.



Das Volk verehr' ich so wie ihr,
Die Masse zusammt dem Hebel,
Laßt ihr aus dem Volk die Besten weg,
So bleibt nur noch der Pöbel.



Bei Empfang des Leopoldsordens.
März 1849.

Gern mißte den Orden der Barde;
    Ich trag ihn in eignem Sinn:
Mich mahnt er als eine Kokarde,
    Daß ich des Kaisers bin!



Ich rede nicht wo jeder spricht,
Wo Alle schweigen, schweig' ich nicht;
Weh euch und mir, wenn je von uns ich wieder singe,
Ich bin ein Dichter der letzten Dinge.



Bekehrung.

Mit Gott stand ich sonst nicht gar gut,
Nun mach' ich mich intim;
Ist er gleich uns, doch absolut
Und höchlich legitim.



Was soll ich in eurer Mitte,
Wie wäre dazu mir wohl Fug?
Ihr seid mir zu weis' und zu klug.
Steht jenseits des menschlichen Zieles,
Ihr wißt nur zu viel und zu vieles,
Und könnt mir zugleich nicht genug.



Literarische Besoldung.

Sind's auch Brosamen nur vom Tisch verzettelt,
Mag Grund und Anlaß auf sich selbst beruhn;
Da für mich keine Familie bettelt,
So muß ich es schon selber thun.



Hofrathstitel.

Dichter zu belohnen,
Sind Orden und Titel
Die besten Mittel.
Für Fiktionen:
Illusionen!



Einem Portraitmaler.

1.
Ich habe Menschen gemalt wie du,
Und wagte Aehnlichkeit zu hoffen;
Doch stimmte die Menge nicht immer zu,
Am wenigsten, die am meisten getroffen.

2.
Ob schlecht das Bild, verfehlt von Haus,
Ob ähnlich doch zum Theile?
Mir däucht: so seh ich wirklich aus,
Wenn ich mich langeweile.



Ein Thor, wer der Thorheit entgegenstrebt,
Man muß es der Zeit übergeben;
Habe die Hegel'sche Philosophie überlebt,
Werd' auch die Zukunftsmusik überleben.



Schillerfest.

Der Fackelzug mit Saus und Braus
Liegt meinem Wesen ferne,
Komm' je ich aus meiner Tonne heraus,
Ist's nur mit einer Laterne.



Oeffentliche Anerkennung.

Wie strahl' ich nicht im Ehrenglanz,
Das Höchste sollte mich kaum überraschen;
Sie vergolden mich am Ende ganz,
Nichts ausgenommen als die Taschen.



Wie nehm' ich unter Unbekannten,
Aufs höchste wunderlich mich aus;
Doch da sie mich nun Dichter nannten,
Wandr' ich getrost von Haus zu Haus.

Zum Schweigen fühlt der Mensch sich oft gestimmt
Durch mannigfach erwägende Betrachtung,
Doch was die Lust zur Antwort gänzlich nimmt,
Ist tiefgefühlte, herzliche Verachtung.



Ein Spruch Goethe's.

"Was man in der Jugend wünscht, hat man im Alter genug,"
So sagen die Reichbegabten mit Fug;
Wir aber, mindern Pfundes Verwalter,
Was wir jung hatten, wünschen wir im Alter.



Gott meinte, es sei nun mit mir genug
Und ließ mich fallen die Stufen herab von oben;??
Die Menschen aber, die überklug,
Sie haben mich sorglich wieder aufgehoben.



(1867.)

Als Deutscher ward ich geboren,
Bin ich noch einer?
Nur was ich Deutsches geschrieben,
Das nimmt mir Keiner.



Krankenbesuche.
(1870.)

Eine Aehnlichkeit, die ich mit Christus habe:
Nur die Weiber kommen zu meinem Grabe.



Der Verfasser der Ahnfrau.

Des Unzufriednen stöbernde Jagd
    Wird endlich widerlich,
Es klagt, wer so sehr über alles klagt,
    Zuletzt doch nur über sich.



Kein Gedanke will halten lang,
Fruchtbringend keiner sich ergänzen,
Ich treibe geschäftigen Müßiggang
Und gebe allgemeine Audienzen.


  Franz Grillparzer . 1791 - 1872






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