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Franz Grillparzer
Gedichte
. 1872
Bei Gelegenheit der Enthüllung von Mozarts
Standbild in Salzburg, September
1842.
Glücklich der Mensch, der fremde Größe fühlt,
Und sie durch Liebe macht zu seiner eignen.
Denn groß zu sein, ist Wenigen gegönnt,
Und wer dem fremden Werth die Brust verschließt,
Der lebt in einem öden Selbst allein,
Ein Darbender - wohl etwa ein Gemeiner.
Dem Land auch Heil, das sie gebar, gesäugt,
Und aufgezogen an der Mutter Brüsten.
Denn die Natur gibt nur der Größe Geist,
Den Körper bildet an ihr die Umgebung,
In der sie allererst den Tag geschaut,
Der Freunde Schaar, der Mitgebornen Kreis,
Die sie mit Blick und Laut zuerst begrüßt,
Mit frommem Sinn bereitet ihr die Stätte
Für Menschen, nur durch Menschen, wird der Mensch;
Darob auch Mancher, mit der Hoheit Siegel
Bezeichnet von der Schöpferin Natur,
Noch spät durch irgend eine Narbe,
Durch einer Gliedmaß widrig, wildes Zucken,
Durch Etwas, das nicht schön, ob stumm, verkündet,
Wie karg der Boden war, in dem die Pflanze
Des harten Daseins trübe Nahrung sog.
Drum sind wir stolz, obgleich demüthig auch,
Denn hier ward er geboren, den wir feiern.
In dieses schlichten Landes engen Grenzen
Scholl ihm zuerst des Lebens Herold: Ton;
Von diesen Thürmen scholl ein gläubig Läuten,
Und lehrt' ihn glauben an die Ahnungen,
Die, ohne andre Bürgen als sich selbst,
Und nur bewiesen, weil sie sich gestaltet,
Zur Wirklichkeit verherrlichen den Traum.
Von diesen Bergen zog der Gottesathem
Gewürzt mit Kräutern und mit Blumenduft
In seine jugendlich gehobne Brust.
Darum ist er geworden auch, wie sie,
Wie diese Berge, seiner Wiege Hüter.
Wohl gibt es höh're, doch sie decket Eis,
Gewalt'gere - allein das scheue Leben,
Es findet für den Fußtritt keine Spur
Und flieht mit Schaudern die erhabne Wüste.
Er aber klomm so hoch, als Leben reicht,
Und stieg so tief, als Leben blüht und duftet,
Und so ward ihm der ewig frische Kranz,
Den die Natur ihm wand und mit ihm theilet.
Nicht, was der Mensch in seinem Dünkel denkt,
Was Gott verkörpert in der Schöpfung dachte,
War ihm der Leitstern seines edlen Thuns.
Drum hing er fest an deinen ew'gen Räthseln,
Du Auge des Gemüths: allfühlend Ohr;
Und was den Weg nicht fand durch diese Pforte,
Schien Menschen Willkür ihm, nicht Gottes Wort,
Und blieb entfernt aus seinem lichten Kreise.
Nächst Raphael, dem Maler der Madonnen,
Steht er deßhalb, ein gleichgeschaarter Cherub,
Der Ausdruck und der Hüter wahrer Kunst,
In der der Himmel sich vermählt der Erde.
Wir aber, die wir dieses Fest begehen,
In starrem Erz nachbildend jenen Mann,
Der weich war, wie die Hände einer Mutter,
Laßt uns in gleich verwechselndem Verwirren
Nicht auch des Mannes Sinn und Geist entgehn.
Nennt ihr ihn groß? er war es durch die Grenze.
Was er gethan, und was er sich versagt,
Wiegt gleich schwer in der Wage seines Ruhms;
Weil nie er mehr gewollt, als Menschen sollen,
Tönt auch ein Maß aus Allem, was er schuf,
Und lieber schien er kleiner, als er war,
Als sich zum Ungethümen anzuschwellen.
Das Reich der Kunst ist eine zweite Welt,
Doch wesenhaft und wirklich, wie die erste,
Und alles Wirkliche gehorcht dem Maß.
Deß seid gedenk, und mahne dieser Tag
Die Zeit, die Größ'res will, und Klein'res nur vermag.
Franz
Grillparzer . 1791 - 1872
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