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Franz Grillparzer
Gedichte
. 1872
Epistel
(1844.)
Weil mich Geselligkeit mit Vielen nicht vereint,
Hält man mich hie und da für einen
Menschenfeind.
Euch flieht nur mein Verstand, mein Herz ist euch
geblieben,
Und ich entferne mich, um fürder euch zu
lieben.
Ihr wollt denn wirklich deutsche Poesie,
Die es auch sei, nicht bloß nur so sich nenne?
Gerecht're Wünsche hörte man wohl nie,
Doch deutsche Art! Macht erst, daß ich sie kenne.
Ich weiß euch ruhig, fest, von schlichtem Sinn,
Zum Handeln minder rührig als zum Denken,
Doch seh' ich auf des Tags Gestalten hin,
Muß ich zum Widerspiel die Meinung lenken.
Da lärmt's und prahlt, und tobt und schreit und droht,
Vernichtet jede Stunde zehn Tyrannen,
Will Freiheit, gält' es hundertfachen Tod,
Und führt doch Krieg nur mit den vollen Kannen.
Ihr rühmt der Väter Biedersinn und Art.
Historisch, nur historisch, ruft's hysterisch,
Im Glauben ruht das Heil der Gegenwart!
Und Strauß macht euch mit seinen Mythen närrisch.
Freund Hegel gibt euch einen neuen Gott,
Und Schelling stutzt euch zu aufs neu' den alten,
Die Welt aus Nichts, war schon ein hart Gebot, -
Doch Nichts - das eine Welt - will gar nicht halten.
Gefühl rühmt man, daß euer Vorzug sei -
Drum kostet wohl Verstand euch Ueberwindung -
Doch als ihr todtschlugt die Empfindelei,
Traf mancher harte Schlag auch die Empfindung.
Und statt Gefühl, womit ihr auch begabt,
Find' ich euch kalt in holperichten Reimen,
Wo nur Gedanken, die man längst gehabt,
Zum Harlekin sich aneinander leimen.
Ein Volk von Denkern? Und sprecht plappernd nach,
Was ihr gehört von nicht'gen Unterweisern,
Gervinus, Menzel stehen wie zur Wach',
Bald abgelöst, in engen Schilderhäusern.
Was heute gut, weicht morgen schon vom Platz,
So Billigung als Urtheil, ohne Stärke,
Ihr lebt von heut', euch häuft sich nie ein Schatz,
Ihr habt nur Bücher, aber keine Werke.
Wo ist dann deutsche Art? Auf, zeigt mir sie,
Statt Launen, immer bunter und vertrakter;
Und fordert ihr ihn von der Poesie,
So habt vor allem selber erst Charakter.
Allein ihr möchtet sein, was ihr nicht seid. -
Geht in die Schule denn und lernt zu leben,
Und seid ihr zum Empfangen erst bereit,
Wird euch die Dichtkunst das Gemäße geben.
Franz
Grillparzer . 1791 - 1872
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