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Franz Grillparzer
Gedichte . 1872



Dem Vaterland

(März 1848.)

Sei mir gegrüßt, mein Oesterreich!
Auf deinen neuen Wegen,
Es schlägt mein Herz, wie immer gleich,
Auch heute dir entgegen.

Was dir gefehlt zu deiner Zier,
Du hast es dir errungen,
Halb kindlich fromm erbeten dir,
Und halb durch Muth erzwungen.

Die Freiheit strahlt ob deinem Haupt,
Wie längst in deinem Herzen,
Denn freier warst du, als man glaubt,
Es zeigten's deine Schmerzen.

Nun aber Oestreich, sieh' dich vor,
Es gilt die höchsten Güter,
Leih' nicht dem Schmeichellaut dein Ohr,
Und sei dein eigner Hüter!

Geh' nicht zur Schule, da und dort,
Wo laute Redner lärmen,
Wo der Gedanke nur im Wort,
Zu leuchten statt zu wärmen;

Wo längst die Wege abgebracht,
Die Kopf und Herz vereinen,
Und statt der Ueberzeugung Macht,
Der Mensch ein grübelnd Meinen;

Wo Falsch und Wahr, und Schlimm und Gut,
Sie längst auf Formeln brachten,
Rasch wechselnd die erlogne Glut
Gleich bunten Kleidertrachten.

Wo selbst die Freiheit, die zur Zeit
Hinjauchzt in tausend Stimmen,
Halb großgesäugt von Eitelkeit
Und von der Lust am Schlimmen.

Bleib' du das Land, das stets du warst,
Nur Morgen, wie sonst Abend,
Die Unschuld, die du noch bewahrst,
An heitrem Sinn erlabend.

Denn was der Mensch erdacht, erfand,
Als Höchstes wird er finden:
Gesund, natürlichen Verstand
Und richtiges Empfinden.


  Franz Grillparzer . 1791 - 1872






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