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Franz Grillparzer
Gedichte
. 1872
Stammbuchblätter
War's
nicht genug an Journalisten,
War's nicht genug an Recensenten,
Den Kindern Kains mit Mörderhänden?
So mußte Gott, den Dichtern zürnend,
Die doch entsproßt aus Abels Lenden,
Die Sündfluth noch der Albums senden?
Ein Stammbuch wird oft grauenhaft,
Festhaltend, was die Zeit entrafft,
Den Freund, das Glück, den Scherz.
Wenn du nach Jahren dieß beschau'st,
Sei treu noch, wem du heute trau'st,
Und treu sich selbst: dein Herz.
Du triffst nun in der Welt oft falsches Spiel,
Mußt klügeln lernen, schweigen, lauern,
Mir, dem das Wesen, wie es war, gefiel,
Mengt in die Freude sich zugleich Bedauern.
Doch sind ja mannigfalt des Lebens Normen,
Die Wahrheit selbst nimmt Masken oft zum Scherz,
Und gibst du deinen Geist in neue Formen,
Bewahr' in seinen alten uns dein Herz.
Hab' ich kaum jemals dich gesehn,
Gesprochen noch viel minder,
Wag' ich es für dein Selbst zu stehn,
Bin deines Werths Verkünder.
Denn Gleiches sich nur Gleiches sucht,
Der Stamm verbirgt die Güte,
Und wo dein Vater ist die Frucht,
Bist du die neue Blüthe.
Einem jungen Mädchen.
Werde, was du noch nicht bist,
Bleibe, was du jetzt schon bist,
In diesem Bleiben und diesem Werden,
Liegt alles Schöne hier auf Erden.
In das Stammbuch eines Neuvermählten.
Amor würfelt' einst mit Hymen,
Und der kleine Gott der Liebe,
Schielend listig durch die Binde,
Wirft beständig hohe Zahlen,
Vier und fünf und fünf und sechs,
Halb zu viel, halb nicht genug,
Niemals Paar, trotz List und Trug.
Da greift Hymen zu den Würfeln
Und wirft hoch nicht, aber gleich,
Eins und Eins. Ein Jubelschrei!
Glück und Paar liegt in dem Zwei.
Einer jungen Freundin.
Du wardst als Braut dereinst mir zugesagt,
Doch ward die Hochzeit etwas noch vertagt,
Weil ich nicht alt zwar, aber du viel jünger,
Nicht größer kaum, als jetzt dein Zeigefinger.
Doch ist's ein seltsam Ding mit der Grammatik,
Sie schlägt oft um, besonders in der Praktik:
Aus meinem alt ward älter, wie die Regel lehrt,
Du wardst aus jünger jung - gerade umgekehrt;
Und während du ein holder Positiv,
Scheint's, daß die letzte Staffel mir schon rief:
Wir wollen drum nicht steigern noch vergleichen,
Und statt dem Bindewort sei uns ein - Trennungszeichen.
Poesie sei dein Begleiter,
Aber nur dein Leiter nie;
Was gemessen, führt sie weiter
Und was maßlos, adelt sie.
Mit Goethe's Werken.
Wo du stehst im Kreis der Wesen,
Stellt er sich als Führer ein,
Doch will er nicht bloß gelesen,
Er will auch gelebet sein.
Ins Stammbuch der Schröder.
Zwei Schröder, Frau und Mann,
Umgränzen unsers Drama höhern Lauf.
Der Eine stand dabei, als es begann,
Die Zweite schied, da hört's wohl etwa auf.
Dem Schauspieler La Roche.
Dichter nenn' ich dich gleich mir.
Dichter heißt denn freilich eben
In fremdem Dasein eignes leben,
Und da, erröthend, weich' ich dir.
In Ludwig Löwe's Album.
Wir sahen andere Zeiten,
Nun liegen sie leider entfernt,
Sie plaudern und lehren und streiten,
Nur siegen hat Keiner gelernt.
Wir haben gemeinsam gerungen,
Wir haben gemeinsam gesiegt,
Und selbst, wo mir's etwa mißlungen,
Du stehst, wo der Dichter erliegt.
Einer Künstlerin.
Wenn dir, der Kunst so viel gegeben,
Zugleich auch ward des Lebens Gunst,
Wer mag, umwölkt von Neides Dunst,
Dagegen staunend sich erheben?
Ist Eins doch ein und andres Streben,
Und wie die Kunst ein zweites Leben,
So auch das Leben eine Kunst.
In das Stammbuch einer Dichterin.
Jung, schön und reich
Und dennoch Dichterin?
Im Wünschen und im Singen
Strebt sonst man nur nach Dingen,
Die man noch nicht besitzt.
Du hast, was Menschen haben,
Die höchsten Schicksalsgaben,
Des Wirklichen Gewinn; -
Und dennoch Dichterin?
Ist gleich seit ich dich kenne,
Fast nur ein Augenblick,
Doch, wenn ich werth dich nenne,
Nehm' ich es nicht zurück.
In flüchtigen Sekunden
Trifft oftmals das Geschick,
Was Jahre nicht gefunden,
Gibt im Moment das Glück.
Zwar ird'scher Werke Meister
Webt lebenlang am Stück,
Für Herzen und für Geister
Regiert der Augenblick.
Mit Ueberreichung des eigenen Bildnisses.
Wer viel verschenken will, ob Fürst und König,
Mehr als sich selbst gab keiner noch, der war.
Hier nimm mich selbst, und selber bring' ich's dar.
Dein Herz entscheide nun, ob's viel ist oder wenig.
In ein neues Album.
Am Eingang steh' ich hier,
Der ich dem Ausgang nah',
Und spreche stumm zu dir,
Die ich doch niemals sah.
Der Pförtner will ich sein
Für deiner Freunde Schaar,
Und laß ich Jemand ein,
So sei er treu und wahr.
Der Tochter eines Freundes.
Am 7. Februar 1841.
Einst auf denselben Bänken
Saßen dein Vater und ich;
Des Guten und Schönen zu denken -
Der Vorsatz uns nimmer entwich.
Und daß wir's nicht gänzlich verfehlten,
Zeigte die Zeit, die verstrich,
All', was wir schufen und wählten;
Und jeder läßt sterbend nach sich,
Die Kinder voll Anmuth und Sitten -
Neid, weißt du es anders, so sprich! -
Ich - Sappho'n und Melitten -
Dein Vater - o Liebliche - dich! -
In der Kunst so wie im Glauben
Ist Dreieinigkeit das Wesen
Von dem Höchsten, Letzten, Einz'gen:
Wen das Wahre nicht erleuchtet,
Und das Gute nicht erlöset
Von des alten Uebels Banden,
Der wird nie das Schöne schaffen.
Zeigt gleich in geschiedenen Gestalten
Jede sich der drei Gewalten,
Und aus dem vereinten Chor
Geht das Göttliche hervor.
Ich hatt' ein großes Buch wie du,
Und hielt's schon, da noch jung,
Drein schrieb so manche nahe Hand
Wohl Lieb's und Gut's genung.
Nun aber wird's zu schwer und voll,
Ich denk', ich schließ' es bald,
Das Buch, es heißt Erinnerung,
Mit Täuschungen bemalt.
Einem Mädchen, das sich dem Kloster weihte.
Das bittere Gefühl, wie arm dieß Leben,
Wie ungenügend ird'schen Glückes Gunst -
Derselbe Wunsch, das nämliche Bestreben
Gab dich dem Glauben, mich der Kunst.
Ob scheinbar gleich sich unsre Pfade scheiden,
Sie gehn aus Einem Punkt in gleiche Ferne, und -
Ist nur die Welt ein abgeschlossenes Rund -
So müssen irgendwo die Linien sich schneiden.
Ein schlechter Richter ist das Aug',
Weil man's so leicht besticht,
Der beste, freilich, wär' das Herz,
Doch das erreicht dich nicht;
Ein strenger, aber allzumal
Ein bittrer ist das Ohr;
Und wär' ein Fehler noch so klein,
Die Scheelsucht führt ihn vor.
Nur Wen'ge, die er schuldlos heißt -
Und die, in edler Ruh'
Des Neides Zunge selber preist,
Die sind dann gut - wie du! -
Früh im Lenz bei lauem Wetter
Treibt der Baum die jungen Blätter,
Und die Zweige, dicht belaubt,
Winden Kronen um sein Haupt.
Aber nach des Spätjahrs Frösten
Weh'n sie einzeln von den Aesten,
Fallen endlich sommersatt,
Unbekannte: nimm dieß Blatt.
Ich bin alt, und du bist jung,
Dein Denkbuch muß sich darum eilen,
Sonst reißt mich fort der Zeiten Schwung,
Doch kann ich noch Empfindung theilen,
Und liesest einst du diese Zeilen,
Wach' auf dir die - Erinnerung.
Franz
Grillparzer . 1791 - 1872
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