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Gedichte
162 Bücher



Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



"Leb' wohl du meine Jugend!"

(August 1852.)

Es brausen wilde Stürme, die Sterne sind verhüllt,
Es zucken rothe Blitze und dumpfer Donner brüllt; -
Der Elemente Aufruhr kommt nicht dem Aufruhr gleich,
Der wüthend sich erhoben im tiefbewegten Reich.

O bange Nacht des Schauders! Der Herrscher ist erkrankt,
Der Pöbel will regieren, der Thron erbebt und wankt,
Auch in den stärksten Seelen gewinnt der Zweifel Raum,
Und wenn man wagen wollte, zu hoffen wagt man kaum.

Sie rennen durcheinander wie Thoren, Jung und Alt:
Wer ist nun Herr und Meister? wer leitet die Gewalt?
Wer trägt die gold'ne Krone auf dem geweihten Haupt?
Wer schwingt das heil'ge Scepter, bevor's der Frevel raubt?

Und jede Stunde dringet und jede Stunde drängt;
Je tiefer Wolk' an Wolke herab vom Himmel hängt,
Je rasender im Donner das Wetter tobt und kracht,
Um desto hoffnungsloser verfinstert sich die Nacht.

Der Vater und die Mutter berufen ihren Sohn:
"Du, für den Thron geboren, besteig' ihn heut' den Thron!"
"Wir seh'n in dir o Jüngling das letzte Heil und Glück,"
"Ergreife du das Scepter, wir treten gern zurück."

O Eltern, liebe Eltern, sagt an, was fordert ihr?
Schaut um euch, wie es tobet! Begehret ihr von mir,
Ich soll das Scepter führen im Kampf 'gen Wuth und Spott?
Ich, meine theuren Eltern? "Für Vaterland und Gott"

"Ergreif es! Keine Rettung wie nur durch Dich allein;"
"Wer brav als Sohn gewesen, wird brav als Kaiser sein."
"Wir Eltern wissen beide, was edles Wollen kann"
"In Deiner kräft'gen Seele. Sei Kaiser, werde Mann!"

"Der Aufruhr ist im wachsen, ihn hemmt kein mildes Wort,"
"Er reißt in seinen Wogen auch wack're Leute fort;"
"Er faßt mit trunk'ner Lockung auch manches treue Herz"
"Und zerrt es zum Verrathe bangschwindelnd niederwärts."

"Die Welt ist aus den Fugen, der Abgrund gähnet tief;"
"Versuch ihn auszufüllen! Du, den Geburt berief;"
"Das Vaterland zu retten, bleibt jedes Opfer klein;"
"Wir bringen dich zum Opfer, das größte mag es sein."

"Und geh'n wir unter dennoch vereint o Sohn, mit Dir!"
"Wir lebten ja zusammen, zusammen sterben wir."
"Die Eltern mit den Söhnen, wir alle Hand in Hand!"
"Wir leben oder sterben doch nur für's Vaterland."

Für's Vaterland zu sterben, für meiner Ahnen Thron,
Wär' mir die höchste Ehre, wär' mir der schönste Lohn.
Wähnt nie, ich könne fürchten den Tod? ihn fürcht' ich nicht!
Ich fürchte nur zu tragen solch' ungeheure Pflicht.

Ich bin so jung ihr Eltern, die Jugend ist so hold;
Mein Haar mit Rosen schmücken hab' lächelnd ich gewollt;
Den Lenz wollt' ich genießen, die süße Blütenzeit,
Der Frühling weht so duftig, die Erde ist so weit.

Ich meinte lustzuwandeln durch Fluren jung und grün?
Soll's gelten, will ich kämpfen ein Ritter frei und kühn,
Will führen als ein Ritter und als ein Fürst mein Schwert,
Dem Vaterland zu dienen, und meiner Ahnen werth.

Dazu fühl' ich die Neigung, ja die Begeisterung;
Für Land und Thron zu sterben war nie ein Fürst zu jung.
Doch Thron und Land beherrschen? - Ihr Eltern, welchen Wust
Von Gram und heißen Sorgen wälzt ihr auf meine Brust?

Jedoch hab' ich Gehorsam als frommer Sohn gelernt,
Um keines Haares Breite mich je davon entfernt.
Ich will auch heut' gehorchen, gern, willig, unverzagt,
Will euer Kaiser werden. Es sei wie ihr gesagt.

Die Eltern fleh'n um Segen empor, so treu gesinnt
Für ihren jungen Kaiser, für das geliebte Kind;
Sie geh'n, dem ew'gen Himmel Dank und Gebet zu weih'n,
Sie geh'n, ihn still umarmend; der Jüngling bleibt allein.

Und wirft sich auf sein Lager: vielleicht zum letztenmal
Darf ich den Schlummer suchen nach eig'ner freier Wahl,
Noch trag' ich nicht die Bürde der höchsten Herrschermacht,
Heut' noch gieb sanfte Träume, trotz deiner Stürme - Nacht!

Heut' lass' mich noch genießen die kummerlose Ruh'
Der unbesorgten Jugend! Drück' mir die Augen zu
Du Schlaf, den Kinder schlafen, die von der Mutter Brust
Erwachen kindlichheiter zu immer neuer Lust.

Da stellt mit leichten Schwingen ein Engel schön und rein
Sich an des Schläfers Lager und singt ihn lieblich ein
Und führet bunte Bilder in flücht'gen Träumen vor,
Und lispelt zarte Lieder dem Träumenden in's Ohr:

Von goldgezierten Sälen, von weicher Pracht und Glanz,
Von ungestörten Festen, von Minnespiel und Tanz,
Von Allem, was die Fülle des Reichthums nur beschert,
Wonach in jüngern Jahren des Menschen Sinn begehrt.

Der Jüngling spricht: ich kenne die Lieder, die du singst,
Die Blumenketten kenn' ich, worein du Viele schlingst,
Auch ich hab' oft geahnet den Klang der Melodei;
Sie könnte mir gefallen? - Doch damit ist's vorbei.

Nun gilt es and're Spiele, nun gilt es Gut und Blut,
Nun gilt es Wunden schlagen, sie heilen wieder, gut!
Nun gilt es Herrscher werden und bleiben! - Fahre hin
Mit deinen Freuden, Jugend, dieweil ich Kaiser bin.

Mag in der niedern Hütte, bedacht von Schilf und Stroh,
Der Aermste sorglos scherzen mit seiner Jugend froh,
Mag er an ihrer Seite beglückt durch Mangel geh'n, -
Er hat für sich zu denken, ich muß für And're steh'n.

Ich bin zum Mann geworden, zum reifen, durch ein Wort;
Auf meinem Haupte lastet die Krone fort und fort.
Mein Wort hab' ich gegeben, ein Kaiserwort wiegt schwer:
Leb' wohl du meine Jugend, wir seh'n uns nimmermehr.

Für dich darf ich nicht leben, ich leb' nicht mehr für mich:
Für Millionen leb' ich, die trennen mich und dich;
Zwar nennen sie mich Herrscher, - die Menschen wissen nicht,
Um was sie uns beneiden? - O schwere Herrscherpflicht!

Empörung werd' ich dämpfen, dess' bürget mir mein Heer;
Unein'ge zu besiegen, wird ein'ger Kraft nicht schwer.
Nie ist ein Thron gefallen, wenn der, so ihn besaß,
Nicht seines guten Rechtes, wie seiner Pflicht vergaß.

Empörung werd' ich dämpfen. Doch was ist dann erreicht?
Dann erst beginnt mein Wirken, bei Gott, es ist nicht leicht:
Mein Wort hab' ich gegeben; ein Kaiserwort wiegt schwer!
Leb' wohl, du meine Jugend, wir seh'n uns nimmermehr;

Der Engel senkt die Schwingen, sein mädchenhaft Gesicht
Gewinnt ein männlich' Anseh'n, und Mienen von Gewicht.
In seinen Zügen kämpfen so freud'ger Stolz wie Schmerz;
Er beuget weinend nieder das Haupt auf Jünglings Her z:

So heißest Du mich scheiden, Du kühner junger Held?
Willst ohne mich durchwandeln die Pfade Deiner Welt?
Willst ehrner Pflicht gehorsam und Deinem Wort getreu,
Die Jugend nicht genießen? Und fühlest keine Reu'?

Du hast mich fortgesendet, - doch nicht auf immerdar.
Was ich Dir heut' verkünde, die Zukunft macht es wahr:
Ich folge Deinen Schritten durch weiter Länder Kreis,
Ich pflück' auf Deinen Tritten viel Blätter Dir zum Preis';

Ich flechte Dir mit Freuden den grün'sten Kranz daraus;
Ich schwebe um die Zinnen des großen Staaten-Bau's,
Und während Du genügest, ein Mann, der Mannespflicht,
Bleibt Jugend Dir ergeben, Dir treu, und altert nicht.

Es wird die Stunde schlagen, da Du mit hellem Blick
Des Bau's Vollendung schauend darfst danken dem Geschick.
Dann kehrt auch Deine Jugend Dir wieder und umlaubt
Mit jenem grün'sten Kranze die Kron' auf Deinem Haupt.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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