Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Abendgedanken

auf dem Franzensberge in Brünn.
(1823.)


Bang' und trübe
Hängt der Abendhimmel
Ueber den Feldern;
Bang' und düster
Drückt er das Haupt mir,
Preßt er die Brust.
Still ist und ernst
Die herbstliche Flur.
Und die bunten Blätter
Deuten nicht buntes
Fröhliches Leben;
Deuten nicht Freude;
Denn es ist spät im Herbste
Und sie deuten: Tod.
Hinter mir ragt empor
Ein würdiges Denkmal
Deutscher Befreiung,
Deutscher Begeisterung,
Deutscher Hoffnungen ...
Spricht in Worten aus,
Wie Mähren seinen Kaiser liebt!
Vor mir die Stadt,
Und das alte Gemäuer
Gothischer Kirche,
Und mildthätiger Jungfrau'n Kloster.
Rings umher Hügel,
Von Nebel abendlich verhüllt ...
Immer düst'rer wird es,
Thränen inniger Wehmuth
Füllen das Auge;
Seufzer entsteigen,
Seufzer der Sehnsucht
Meiner Brust ... Weh' mir,
Da fällt der Blick
Auf die graue Veste des Spielbergs,
Wo Gefangene hausen,
Missethäter in Ketten,
Klirrend zum Klagesang
Ihres Gewissens.

Ach, wie Mancher lebt hienieden
Sträflicher als ihrer Einer?
Darum richte vorschnell Keiner,
Du, o Gott, gieb ihnen Frieden:
Senke Deinen Trost herab
Auf das hohe, kalte Grab,
Tröste sie in ihrer Noth,
Oder gönne sanften Tod.
Strafe muß auf Erden walten,
Dem Gesetz sein Recht soll werden,
Aber Niemand soll auf Erden
Schon ein Gottesurtheil halten.
Laßt sie büßen, die da leiden,
Dann schlagt an die eig'ne Brust.
Wer sich keines Fehl's bewußt,
Mag sich stolz von Menschen scheiden.
O, mir steht der Sünder nah'!
Und es kann sich wohl begeben,
Daß in jenem lichten Leben
Mancher sich wird höher heben,
Als sein Richter, der nur eben
Streng' auf ihn hernieder sah.
Unter Menschen herrscht Verblendung
Irdisches nimmt schnelle Wendung,
Doch im Glanze ew'gen Lichts,
Schwindet Erdenschein zu nichts.

Und die Nacht bricht herein,
Phantasie wird mächtig,
Malt mir lebendig
Alle Leiden des Daseins:
Schmerzen des Körpers,
Kummer der Seele,
Sorgen der Nahrung,
Mangel der Kleidung,
Kälte und Elend ...
Wie die Armen winseln,
Wie die Reichen schwelgen ...
Und mich überkommt Heimweh,
Nach den Geliebten,
Nach den Todten die mein waren,
Nach den Lebenden die fern sind!
Ein Fremdling bin ich;
Ein junger Wand'rer
Steh' ich auf kalten Felsen,
Schau' in die Berge,
Schau' in das Thal ...
Arme Erde!!

Aber vor mir, auf vom Boden,
Seh'n mich grüne Bäume an
Und ich staune, wer den todten
Felsen, dieses abgewann?

Und ringsum liegt schwarze Erde
Auf dem unfruchtbaren Stein;
Welch' ein schöpferisches: Werde!
Muß doch hier erklungen sein;

Ueppig steigen frische Tannen,
Wie ein Zauberwald an's Licht.
Daß sie frohen Wuchs gewannen
Seh' ich; wie? begreif' ich nicht.

Sind es Menschen denn gewesen,
Die sich dies' Gestein erlesen,
Es zu schmücken hehr und kühn
Mit des Waldes Bäumen grün?
Ja, die Kunst hat schier allmächtig
Die Natur so schön besiegt,
Und Natur hat mild und prächtig
Dann der Kunst sich angeschmiegt.
Also weben beide:
Lust im grünen Kleide.
Und in diesem Hochvereine
Sollt' ich trüb und traurig steh'n?
Bin ich Thor denn hier alleine,
Wo die Bäume Frieden weh'n?
Wo durch Wolken Sterne glänzen?
Wo des Vaterlandes Grenzen
Aus der Fern' herüber seh'n? -

Wie die Bäume
Wurzel fassen,
Schwach nur getragen,
Dürftig ernährt erst
Von dünnem Boden,
Aber dann, wenn sie feststeh'n
Nimmermehr wanken,
In den Ritzen des Felsens
Wurzelnd erwachsen,
Steigen empor,
Saugen am Luftmeer
Kühn sich und stark ...
Also auch ich,
Will ich mich halten,
Weit in der Fremde
Steinigen Pfades,
An die Gefühle
Ewigen Glaubens,
Daß ich Fuß fasse;
Daß ich dringe
Wachsend in's Leben.
Meine Arme sind Zweige
Und ich strecke sie aus ...
Meine Arme sind Zweige
Und der Blick ist Blüte,
Und die Lieder sind Blätter
Und der Mensch ist ein Baum.
Steht er fest auf dem Felsen, -
Sei ihm spärlich
Wuchernde Garten-Erde
Nur zu gemessen, -
Steht er fest,
Saugt er am Luftmeer
Edler Gefühle
Frei sich und stark,
Ja, dann besiegt er
Wehmuth und Thränen,
Frost und Nebel,
Und dann jubelt er:
O reiche Erde!


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






Gedicht: Abendgedanken

Expressionisten
Dichter abc


Holtei
Gedichte

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Abendgedanken, Karl von Holtei