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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
An den Banus von Croatien
Freiherrn
v. Jellacic.
Zueignung eines Festspiels "der
Kaiser kommt."
(Bahnhof Gräz am 12. September 1849.)
Ein alter Sänger harrt im Volksgewühle,
Fast willenlos getrieben und gedrängt,
Nicht achtend der gewitterschweren Schwüle,
Die regendrohend grau am Himmel hängt.
Was treibt denn ihn? Was sind es für Gefühle,
Aus denen er Begeisterung empfängt?
Ist er ein Fremder nicht in diesen Landen?
Und wie empfindet er, was sie empfanden,
Sie, die in Schaaren freudig ihn umsteh'n?
"Vater Radetzky!" jauchzt es allerwegen;
"Auch ich," ruft Jeder, "will den Edlen seh'n!"
"Sein Anblick schon ist Weihegruß und Segen,"
"In seiner Hand hat bei gewalt'gen Weh'n,"
"Des Landes Ruhm, Oest'reichs Geschick gelegen."
"Der feste Arm, der siegesstark entschieden,"
"Die Palme schwingt er jetzt, er bringt den Frieden."
Der Zug erscheint! der Sänger schaut durch Thränen,
Sein Auge forschet nach dem Heldengreis'
Und er erblickt, - führwahr, das ist kein Wähnen,
's ist Wirklichkeit! O zwiefach Heil und Preis! -
Den Ritter, dem schon längst das Herz voll Sehnen
Entgegenschlug, den es zu ehren weiß:
Den Banus sieht er an Radetzky's Seite;
Es giebt ein Held dem Helden das Geleite.
Steht neben ihm, als wollt' er lächelnd sagen:
Dies ist der Mann, ihn grüßt, ihm jubelt zu.
Der Sänger muß aus tiefster Seele fragen:
Vergaßest Du Dich selbst? Wer bist denn Du?
Bescheid'ner Sinn, hochedelstes Entsagen;
Ein Löw' im Kampf, ein Kind in Friedensruh'.
Kein Kranz so je des Marschalls Stirn umwand,
Ziert diesem gleich, den Deine Demuth band.
Das ist des Ritters werth, von dem man kündet,
Daß, als er einst in die Versammlung trat
Zu Agram, die von Widerspruch entzündet,
Wo Einer sich, laut schreiend ihm genaht:
"Zehntausend Bajonette nicht, verbündet,
Erschrecken uns!" - Er, mitten in den Rath
Sein Schwert geworfen, sprechend: ohne Waffen
Auch, wird der Banus Ruh' im Lande schaffen!
Das ist Dein werth. - Du blickst so mild hernieder,
Wehmüth'ge Freude strahlt Dein Angesicht.
Der Sänger denkt: der wär' ein Held für Lieder;
Ist nicht sein letzter Heerzug schon Gedicht?
Doch horch, was hallen da für Weisen wieder,
Aus denen Poesie und Leben spricht?
Wer schuf sie? Er, der Banus; Er vertraute,
Was ihm die Mannesbrust bewegt, der Laute.
Und deshalb leg' ich, Herr, in Deine Hände
Dies kleine Spiel, das Deinen Kaiser ehrt,
Nicht etwa, weil ich es bedeutend fände?
Ich weiß, es hat nur der Gesinnung Werth.
Daß doch Dein Herz die Huldigung empfände,
Wie ich sie biete. Von der Zeit belehrt,
Die uns wild-stürmend hin- und hergetrieben,
Fühl' ich's: der Preuße auch soll Oest'reich lieben.
- - "Was ist des Deutschen Vaterland?" -
So tobt's im vorigen Jahr' durch alle Gauen;
Die liebe Jugend trug dreifarbig' Band;
Selbst reif're Männer fanden sich, ja Frauen,
Die, schwer getäuscht, auf äußerlichen Tand
Hinwiesen mit fast thörichtem Vertrauen,
Wenn in des alten Arndt'schen Liedes Klang
Wild gellend Frankreichs Schlächter-Hymnus drang.
Armer Rouget-de-L'isle! Sein tönend Lied,
Ursprünglicher Begeisterung entquollen,
Hat ihm, der's angestimmt, (wie oft geschieht,)
Nach kurzer Lust nur Schmerzen bringen sollen.
Dem Mörder ähnlich, der Gespenster sieht,
Ward er verdammt, bang mit sich selbst zu grollen;
Verfluchte weinend Wort und Melodie
Der Marseillaise, - und wir sangen sie.
In Deutschland sang man sie! - Man sang? Man schrie:
"Was ist des Deutschen Vaterland?" in Chören?
Als Antwort auf die Frage ließen sie
Pariser Guillotinen-Echo hören.
Nein, wahrlich, größern Unsinn gab es nie,
Das mußte jedes deutsche Herz empören,
Halb Affen - und sie wollten Tiger sein!
War das ein deutsches Vaterland? O nein!
Heut' weht mich's an, wie meiner Heimat Lüfte
Im "Gott erhalte" das so hell erschallt;
Mit Blumen ausgeschmückt sind finst're Klüfte,
Die Mißtrau'n riss', heimtückische Gewalt.
Versöhnung schmücke nun die Trauergrüfte,
Sie ziehe friedlich über Flur und Wald.
Wo Lieb' und Treu' aus tapfern Herzen spricht,
Da spür' ich deutsches Vaterland, sonst nicht.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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