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Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Aus der Jugend

1.

Wenn ich durch die Gassen gehe,
Liebeskrank und lebensmatt,
Sehn' ich mich mit leisem Wehe
Aus der lauten, vollen Stadt;

Aus dem städtischen Gewühle,
Aus des heißen Tages Staub,
Nach der abendlichen Kühle
Unter frischem Eichenlaub!

Freunde grüß' ich ohne Worte,
Wie ein Fremder zieh' ich hin;
Nach des grauen Thores Pforte
Strehen Seele, Herz und Sinn:

Bis die süße Stunde endlich,
Hoch von allen Thürmen klingt,
Die mich täglich, unabwendlich
Auf die grüne Wiese zwingt;

Auf die Wiese, die im Winter,
Wie im Sommer Wonn' umweht,
Denn sie führt zum Wäldchen, hinter
Dem ihr Häuschen steht.

Seufzer, Sehnen, Qualen, Sorgen
Lass' ich eilend hinter mir,
Flieh 'gen Abend, doch nach Morgen,
Denn mein Osten ist bei ihr.


2.

Sie küßt mich nicht, wie ich auch bitte,
Sie duldet kaum von mir den Kuß;
Als ob sie bei dem Kusse litte,
Zeigt sie sich immer voll Verdruß.

Und naht sie auch in stolzer Eile,
Im Augenblicke zeigt sie Reu';
Ihr Kuß gleicht einem spitzen Pfeile,
Denn er verwundet stets auf's Neu'.

Und frag' ich sie: Warum die Lippen
Mich kaum berührten? Lächelt sie:
An solchem Tranke darf man nippen,
Doch satt sich daran trinken - nie.


3.

Gestern aber ward mir bange,
Weil sie gar zu zornig war,
Denn ich hieß sie eine Schlange. -
Sage selbst nun, ist's nicht wahr?
Glatt und lieblich, zauberblickend
Hast du einst mich angeseh'n,
Aber nimmer, um beglückend
Liebeshauch mir zuzuweh'n;
Nur, um mit gelenken Ringen
Deine Beute zu umschlingen.
Nun du mich umfangen hast,
Möcht' ich nicht verschmachten fast?
Mußtest du so lieblich prangen,
Du, o schönste aller Schlangen?


4.

Sie liebt die Poesie,
Doch wie?
Daß sie ihr Blumen flechte
Zum vollen Kranz;
Daß sie mit Liedern fechte
Für ihren Glanz!
Sie liebt,
Was im Gedichte steht;
Sie giebt
Den Reiz, der das Gedicht erhöht;
Sie zählt,
Ein feiner Richter,
Der Silben Zahl
Und quält
Den armen Dichter
Mit immer neuer Qual.
Wie sie mich flieht,
Liebt sie mein Lied.
Ach, wär' ich mein Gedicht:
Mich liebt sie nicht.


5.

Ich ließ mich bethören,
Ihr Treue zu schwören.
Sie lachte
Und dachte:
Nun, mag er doch schwören,
Ich kann es wohl hören. -
Das nennt sie: erhören.


6.

Wie Blüthen an der Maienglocke
Hing ihr am Haupt das weiche Haar,
Da bat ich sie um eine Locke,
Sie aber sprach: Warum nicht gar?


7.

Wir Beide sind gebunden, nicht verbunden;
Daraus erwächst allstündlich neue Pein,
Und sollt' ich ihr am Herzen je gesunden,
So müßten wir erst Beide treulos sein.
Und müßten wir auch Beide treulos sein,
Dann sei es Jenem, halte mir die Treue.
Bleibst du ihm treu, so frevle ich allein,
Verräthst du ihn, entsühnt mich deine Reue.
Ich klag' ob eig'nem, wildem, sünd'gem Sinn,
Ob heißer Wünsche quälendem Getümmel;
Fällst du mit mir, durch mich, ist mir's Gewinn:
Wo Engel büßen blüht ja auch ein Himmel.


8.

Und als dieser Himmel sich aufgethan,
War's eben auch nur ein Erdenwahn.
Und was wir verbrochen zu Zwei'n, im Vereine,
Gebüßet haben wir's Jedes alleine.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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