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162 Bücher



Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Das erste Wort

An der Wiese Rand,
Wo Eichen und Buchen
Längs dem Ufer steh'n;
Wo im frischen Grase
Blümlein nicken,
Rauscht der rasche Strom,
Drängt mit heimlicher Neigung
An den grünen Sammet
Seine Silberfluth;
Blicket sehnsuchtsvoll
Mit tiefem Auge
Nach der Wiese Schmelz,
Die behaglich ruhend
Im Lichte sich sonnt,
Und den Strom nicht achtet,
Noch sein brausend Getön,
Noch sein klagend Geflüster,
Und der Strom fließt redlich,
Voll von inniger Treu.
Seinen Wellen enttönet
Das melodische Wort:
Wenn ich dich liebe, Wiese,
Was geht's dich an?

An der Rose Pracht
Waget Zephir sich,
Säuselt sanft bescheiden
Um der Blätter Roth;
Kommt und geht,
Voll Schüchternheit naht er,
Zieht schnell sich zurück,
Gleich als hätt' er
Sich an Dornen geritzt.
Und die Rose neigt
Wohl erstaunt ihr Haupt,
Wiegt es hin und her:
"Was erkühnst du dich?"
Doch der Zephir singt:
Wenn ich dich liebe, Rose,
Was geht's dich an?

Nun, ich bin kein Strom,
Der mit rauschender Kraft
In das Weltmeer rinnt;
Nun, ich bin kein West,
Der mit tändelnder Eil
Durch die Fluren schweift;
Nun, ich bin ein Sänger,
Der in Kraft und Klagen,
Der in Scherz und Ernst
Töne gefunden,
Lieder gesungen.
Und ich liebe auch,
Mit des Stromes Macht,
Mit des Lüftchens Schüchternheit.
Ich liebe so rein, so selig,
Wer will mir's wehren?
Bleibt sie kalt, die ich liebe,
Neigt sie spöttisch ihr Haupt,
Mag sie stolz und stumm,
Wie die Weisheit den Thoren,
Vom Throne mich weisen
Auf dem sie strahlet,
Die edle Sophia;
Mag sie zürnen, ob meiner
Philosophia!
Dennoch bleib' ich dabei!
Und ich liebe die Weisheit,
So auf Griechisch genannt wird:
Sophia.
Und wenn ich dich liebe, Sophia,
Was geht's dich an?


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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