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Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Der Ringende

Wenn mir des Todes bleiches Bild begegnet
Im regen Leben, auf dem Blumenpfad
Den heit're Luft mit heit'rer Lust gesegnet,
Den aller Freuden muntres Heer betrat;
Da schreck' ich wohl im Innersten zusammen,
Wo manche And're sorglos weiter zieh'n,
Fühlend daß ernste tiefentquollne Flammen
Im stillsten Raume meines Busens glüh'n.
Ich sage mir: Auch du mußt so vergehen!
Ich frage mich: Mein Herz, wie wird es dann
Um uns're Ruhe, unsern Frieden stehen,
Wenn morsch zerstäubt, was Leben dir gewann?
Wird dich mein Herz der letzte Kampf erschüttern?
Wirst du, wenn deiner Pulse Athem bricht
Im Todeskrampfe nicht erbangend zittern?
Und fürchtest du die letzte Stunde nicht?
Graut dir denn nicht vor jenem dunklen Pfade,
Der ungekannt vor deiner Ahnung liegt?
Und wird dein Graun vom Glauben an die Gnade
Des Ewigen durch Frömmigkeit besiegt? -
Da rufen tausend Stimmen, ob von Innen,
Ob auch von Außen? das wird mir nicht klar;
Da rufen tausend Stimmen: "Nein, verrinnen
Soll deines Daseins Quell auf immerdar!
Du wirst vergeh'n im großen Meer der Zeiten,
Wirst aufgelöst, ein Nichts, - gewesen sein,
Und wie der Blume Duft in öde Weiten
Dringt dann dein Ich in's grause Nicht-Ich ein.
Vermodert bald, vergessen wohl noch bälder,
Wer fände noch, daß je du warst, die Spur?
Ach, kaum als Hauch ziehst du durch Wald und Felder,
Als Biene kaum summst du durch Hain und Flur.
Es ist vorbei beim letzten Athemzuge,
Denn du verschwimmst im ungeheuren Raum!
Ergieb dich niemals hoffnungsreichem Truge;
Das ew'ge Leben ist ein ew'ger Traum!"
O letzte Nacht, wie fürcht' ich deine Stürme,
O kalter Tod, wie fürcht' ich deine Hand;
Sie senkt auch mich, gleich kriechendem Gewürme
In's tiefe Grab, in feuchten kalten Sand.

Doch horch, da tönen sanfte Huldigungen
Mit frommen Chören auf zu Gottes Sohn.
Die Christen, die den Glauben sich errungen,
Genießen nun im Frieden ihren Lohn.
Ich seh' das Kreuz, die Priester hör' ich lehren:
Wer glaubt, der lebt; für ewig lebt er, ja! -
Weh' mir, ich kann die Priester nicht verehren,
Das Kreuz nicht fassen, das ich zimmern sah.
Mir keimet nicht im Innern jener Glaube,
Verstand und Leben hüllen mich in Wahn,
Sie fliegt zum Tempel die drei-ein'ge Taube,
Ich folg' ihr nach, - mir wird nicht aufgethan.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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